Die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow setzt seit Jahren auf eine „Doppelstrategie“, wenn es um das
ungeliebte Luftdrehkreuz in Schönefeld geht. So soll die Belästigung für die Region auf Dauer klein
gehalten werden.
Andererseits möchte man die Möglichkeiten ausschöpfen, die sich aus der unvermeidbaren Situation ergeben.
Bürgermeister Ortwin Baier knüpft nun an die erfolgreiche Unterschriftensammlung in Brandenburg für ein
Nachtflugverbot an.
Ausgetrickst?
„Wir hatten über 106 000 Unterschriften, lagen also weit über der Grenze von 80 000 Befürwortern. Leider sind wir
im Endeffekt gescheitert, weil die Initiatoren von den Landespolitikern
ausgetrickst wurden und sich damit zufrieden
gaben, mit dem Land Berlin zu einer Einigung kommen zu wollen. Der damalige Bürgermeister Klaus Wowereit
lehnte bekanntlich ab“, schildert Ortwin Baier. Jetzt soll mit einem neuen Volksbegehren erreicht
werden, dass der
Großflughafen nicht erweitert werden kann. Die Zahl der Flugbewegungen würde auf diese Weise auf 360 000 fest
geschrieben werden. Damit dies so bleibt, soll zementiert werden, dass es keine
weitere dritte Startbahn geben wird.
„Wie beim letzten Mal sind wieder 80 000 Unterschriften nötig“, so Ortwin Baier.
Klimahülle gegen Lärm
Da die nicht mehr anfechtbare Größe des Flughafen für die Bürger an sich schon starke Lärm- und Emissions-
belästigung bedeutet, soll diese durch Innovationen möglichst eingedämmt werden. Blankenfelde-Mahlow ist auf
diese Weise dabei, Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, die für andere Orte in der ganzen Welt von Bedeutung sein
könnten. Momentan steht hier die Kita „Tabaluga“ in der Karl Liebknecht Straße im Fokus des Interesses.
Ein Jahr geforscht
„Hier wurde ein Jahr lang wissenschaftlich erforscht, wie man mit einer Klimahülle die Kinder vor dem Lärm
bewahren kann. Nach diesem Szenario wird das Dach der Kita abgenommen. Die
Spielfläche würde sich sogar
verdoppeln. Das ganze Areal bis auf einen Rodelberg bekommt eine transparente
Klimahülle aus Glas. Das Dach
kann geöffnet werden. Sonnensegel richten sich nach der aktuellen Einstrahlung aus. Das
Klima wird durch Pumpen
geregelt, die durch Erdwärme und einen unterirdischen Eiskeller gespeist werden. Damit wird der Erde Wärme
entzogen um zu heizen. Die sich am Dach bildende Wärme wird in diesen Kreislauf mit einbezogen. Im Sommer
kann die Anlage zur Kühlung verwendet werden“, schildert Ortwin Baier einige Grundzüge dieses Aufsehen
erregenden Konzepts. „Nach den bisherigen Erkenntnissen ist damit eine Lärmreduzierung um etwa drei Dezibel
möglich. Würde man das Konzept weiter optimieren, so könnte man nach übereinstimmender Meinung der Wissen-
schaftler eine Halbierung der Lärmbelästigung von außen erreichen“, so der Bürgermeister weiter.
Weltweit einzigartig
Geht alles gut, könnten, so die Vorstellungen, die Kita-Kinder bereits 2018 an einem Ort spielen,
der weltweit
einzigartig ist. Unterm Strich hat diese technische Innovation unter der Knute
des Flughafenlärms einen wichtigen,
bahnbrechenden Nebeneffekt. „Wir bekommen eine Technologie, die uns erlaubt, in großen öffentlichen Gebäude
eine dauerhafte Senkung der Betriebskosten um 60 Prozent oder mehr zu erreichen“, deutet Ortwin Baier an,
welche neuen Perspektiven hier für die Entwicklung der Gemeinden entstehen. Das wäre für viele Kommunen in
Ostdeutschland eine wichtige Perspektive. Da der Solidarpakt 2019 auslaufen
soll, reduzieren sich schon jetzt die
entsprechenden Investitionsförderungen des Landes an die Kommunen deutlich. „Wenn man neue Projekte bauen
will, muss man immer an die Folgekosten denken. Kann man diese erheblich
absenken, bedeutet das, dass man viel
mehr Möglichkeiten hat.“
Satte Gewinne
Da hilft es natürlich sehr, wenn die Gemeinde gut gefüllte Kassen hat, wie das Ortwin Baier in seiner Tätigkeit als
hauptamtlicher Bürgermeister seit 2003 erreichte. So sind derzeit über 70 Millionen flüssige Mittel vorhanden. Für
2014 weist Kämmerin Jutta Sachtleben einen Überschuss von zwölf Millionen Euro aus. „Blankenfelde-Mahlow hat
als erste Gemeinde im Landkreis eine konsolidierte Gesamtbilanz. Wir haben zwar
noch 270 000 Euro an Schulden
in den Büchern stehen. Wir könnten diese mit einem Schlag zurückzahlen, doch das wäre unwirtschaftlich, weil uns
das aufgrund von Vorfälligkeitszinsen mehr kosten würde als die planmäßige Rückführung“, weist der Bürgermeister
auf die Besonderheiten des Finanzsystems hin.
Sommers oben ohne
Jedenfalls hat die Gemeinde genügend Spielraum, um sich zu dem von vielen Bürgern, insbesondere von Senioren,
Schulen und Familien mit Kindern geforderten Hallenbad durchzuringen. Der
vorgesehene Platz in Blankenfelde
gegenüber vom Friedhof gehört der Gemeinde bereits. „In die Schwimmhalle würden die Erkenntnisse aus der Kita
‚Tabaluga’ einfließen. Ich stelle mir das Bauwerk so vor, dass sich das Dach ebenfalls öffnen lässt, so dass wir im
Sommer ein Freibad hätten. Da die Unterhaltskosten auf Dauer niedrig wären, könnte man mit günstigen
Eintrittspreisen und wenig Belastung für den Gemeindehaushalt auskommen“, beschreibt Ortwin Baier.
Gute Verbindung
Natürlich ist der utopienfreudige Bürgermeister zugleich ein „ganz normaler“ Gemeindechef, der sich wie alle seine
Kollegen über vorzeigbare Fortschritte in seinem Wirkungskreis freut. Dazu gehört, dass das kontinuierliche
Einwirken aufs Land Früchte trug. Das wichtige Teilstück der L792, die Blankenfelde mit Mahlow verbindet, wurde
zum Herbstbeginn 2015 fertiggestellt. „Ich hoffe, dass das nächste Teilstück, das durch Mahlow selbst geht, 2016 in
Angriff genommen wird“, ist Ortwin Baier guter Dinge.
Alles im Wasser?
Ganz zufrieden ist ein Bürgermeister eben nie. Das zeigt sich ebenso in Dahlewitz, wo die lange
geforderte
Bahnunterführung sichtbare Fortschritte macht. Allerdings haben die Arbeiter hier neben
baustellenüblichen Geräten
wie imposanten Baggern weitere auf den ersten Blick unerwartete Utensilien im
Einsatz. Wer würde ausgerechnet
hier Boote erwarten? „Das Grundwasser steht so hoch, dass sich der Tunnel immer wieder mit Wasser füllt“, erklärt
Ortwin Baier das Problem. So sehr er sich über diese erste Bahnunterquerung freut, so sehr hofft er, dass damit der
Elan für ähnliche Bauwerke nicht schon erschöpft ist. Schließlich hat die Großgemeinde gleich fünf Schienen-
kreuzungen, die die Bürger mehr trennen als verbinden. Insbesondere für den bisherigen Übergang in Blankenfelde
gleich hinterm Rathaus wünscht sich Ortwin Baier eine schnelle Lösung.
Rathaus in Sicht
Schließlich zeichnet sich nach jahrelangen Querelen jetzt ab, dass das neue Rathaus
wohl doch wie geplant
entstehen kann. „Die Bauverzögerung von vier Jahren hat die Gemeinde allerdings unnötig Geld gekostet. Wir
bezahlen länger als es nötig gewesen wäre, eine hohe Miete für das Ausweichquartier in Mahlow und haben nun
eine Baukostensteigerung von etwa drei Prozent“, rechnet der sparsame Bürgermeister vor.
Drückende Probleme
Schließlich legt er Geld lieber zum Wohle der Bürger an, als es an Rechtsanwälte und Gerichte zu bezahlen. So gibt
die Gemeinde 2015 drei Millionen für „freiwillige Aufgaben“ wie Vereinsförderung oder Senioren- und Jugendarbeit
aus, für die es keine gesetzliche Verpflichtung gibt. Darunter sind Wunschprojekte aus
dem Bürgerhaushalt oder
Anregungen aus den Ortsbeiräten. So erhält der Bahnhofsvorplatz in Mahlow die lange geforderte und dennoch über
Jahre kontrovers diskutierte öffentliche Toilette. „Das Problem bestand schon lange. Wir hatten erst eine
Vereinbarung mit dem DB-Store, der leider aus wirtschaftlichen Gründen aufgab. Die Versuche, mit Gaststätten zu
einer Lösung zu kommen, erbrachte keine dauerhafte Lösung.“ Die Beseitigung des drückenden Problems kostet
immerhin an die 130 000 Euro!
Jugend im Blick
Weniger kontrovers ist die Erweiterung des Gymnasiums. Bisherige Anbauten werden
der Grundschule
zugeschlagen, so dass mit den vorgesehenen neuen zwölf Klassenräumen für das einzige gemeindliche
Gymnasium im Land für beide Schulen neue Perspektiven entstehen. Das Engagement für die Jugend zeigt sich
zudem in Mahlow, wo sich das neue Jugendhaus gegenüber vom Sportplatz großer Beliebtheit erfreut. Die Kids
bewiesen Kreativität, insbesondere was die Sitzmöbel betrifft, für die sie ausrangierte Paletten umfunktionierten. Ein
weiteres Beispiel für das Mitwirken der Jugend ist an vielen Stellen im Ort zu sehen. So wurden sehr
zur Freude des
Bürgermeisters die Trafohäuschen in den Gemeinden zu farbigen Kunstwerken.
Rauch um nichts?
Ebenfalls fertig wurde das zweite Teilstück der Märkischen Promenade in Blankenfelde. Darüber freuen sich
insbesondere die bisherigen Anwohner und die gerade eingezogenen Bewohner der
neuen schicken Anlage für
barrierearmes Seniorenwohnen. Dass deren Eröffnung termingerecht vonstatten ging, ist fast schon ein kleines
Wunder. „Nur wenige Stunden vor der Freigabe wurde uns verordnet, dass die
Brandschutzmelder an den Strom
angeschlossen sein müssen und nicht über Akkus betrieben werden dürfen. Dabei sind nach meinem Ermessen
Akkus im Brandfall doch weniger in Gefahr als die Stromleitung im Haus“, gibt Ortwin Baier eine Blick hinter die
Kulissen. Man sieht, dass selbst eine in die weite Zukunft denkende Gemeinde
urplötzlich vor ganz profanen
Problemen stehen kann.