Stand Juli 2011
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Frauenheld ganz privat
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Vom Kolchosbauern zum Fernsehstar, diese ungewöhnliche Karriere machen dem Brieselanger nur wenige nach.
Claus Stahnke arbeitete auf dem Bau, war Kraftfahrer und Frauenliebling, machte
sich bei der NVA unbeliebt und gleichzeitig auf der Bühne sehr beliebt. Er ärgerte die DDR-Oberen mit einem frechen Zirkustheater und verblüffte die Grenzer, als er mit seiner noblen 8-Zylinder Tatra-Limousine und Anhänger mit zum großen Teil antiken Möbeln die DDR erlaubtermaßen verließ. Offenbar war man im
Arbeiter- und Bauernstaat froh, den aufmüpfigen Querulanten los zu sein, der es verstand, mit seinem Theater zu sagen, was das Publikum hören wollte, ohne dass die fleißigen Stasi-Ohren konkret anstößiges notieren und weitergeben konnten...
Von der „Werkbank“ auf die Bühne
Dabei hatte Claus Stahnke das Zeug zum Prototyp des vorzeigbaren Helden im
Arbeiter-und Bauernstaat. Er war bei der führenden Hochbaufirma in Mecklenburg-Vorpommern und damit „mit eigener Hand am Bau der Plattenbauten in Schwerin aktiv, die heute
abgerissen werden sollen und sich so vehement den Sprengungen entgegenstellen“, schmunzelt der Star mit der abrasierten Haarpracht in seinem Öko-Eigenheim in Brieselang. Er war vom Bauarbeiter zum Kraftfahrer aufgestiegen
und natürlich mit dem schmucken Dienst-Wolga seines Vorgesetzten ein gefragter
Ansprechpartner.
„Als ich einmal die Leiterin des Arbeitertheaters beförderte, lud die mich ein, an einer Probe teilzunehmen, denn die Truppe hatte
eklatanten Männermangel.“
So startete der sportlich durchtrainierte Arbeiter mit 23 Jahren seine Bühnen-Karriere, als Kolchosbauer in einem russischen Theaterstück.
Gefragter Serienheld
Heute gibt es kaum einen Fernsehzuschauer, der ihn nicht schon gesehen hat, so
lang ist die Liste der Auftritte. Er ist in „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ der Boxer Ronny Heller, dem ein Club im Kiez gehört. Man kennt ihn aus Die Küstenwache, Unser Charly, Praxis Bülowbogen, Wolffs Revier, Die Wache, Für alle Fälle Stefanie, Die Zielfahnder, SOKO Leipzig und der KIKA-Serie Schloss Einstein.
Stahnke stand mit Stars wie Brigitte Mira, Nicole Heesters, Bruno Ganz,
Winfried Glatzeder und Peter Bause vor der Kamera.
Sein Talent wurde bereits an der Arbeiterbühne in Schwerin entdeckt. „Da in der DDR die Kultur Vorrang vor der Arbeit hatte, ging es den
Ensemble-Mitgliedern durchaus gut“, erinnert er sich. In der Armee kam er zum Nachdenken und bekam die Sicherheit,
dass er Schauspieler werden wollte. Eine Strafversetzung auf einen abgelegenen
Schießplatz im südthüringischen Hildburghausen förderte die Karriere. „Dort war kaum was los, ich saß im Turm und hatte die Anlage zu bewachen. Die Zeit ließ sich bestens nutzen, um Rollen zu lernen.“
Für jeden das richtige Theater
Mit Shakespeare im Kopf und ausreichend Selbstbewusstsein schaffte Claus Stahnke
das Kunststück, von dem seine Kollegen nur träumten: „Ich wurde gleich mit der ersten Bewerbung an der Schauspielschule aufgenommen.
Damit begann für mich ein neuer Lebensabschnitt, denn ich hatte plötzlich mit ganz anderen Menschen zu tun. Nur die allerwenigsten meiner
Kommilitonen kamen wie ich aus der Produktion, die anderen vielfach aus Künstler- und Akademikerfamilien.“
Die breite Theaterlandschaft mit Häusern übers ganze Land verstreut bot Schauspielern eine gute Basis. So schaffte es
Claus Stahnke nach dem Studium einen randvoll gefüllten Kalender mit Gast-Engagements vorzuweisen und dadurch die Erlaubnis zu
erringen, „selbstständig“ tätig zu sein.
Er gründete parallel dazu mit Freunden ein Zirkustheater. „Unser Geheimrezept war, dass wir uns ganz auf das
Publikum einstellten. Tagsüber spielten wir für Kinder, abends für Erwachsene. Entsprechend passten wir die Rollen an. Schließlich konnte man im Theater vieles zweideutig-eindeutig sagen, was dann jeder verstand oder für sich interpretierte, wie er es herauszuhören dachte.“
Enge und Lügen
Trotz des Erfolgs, der sich auch finanziell auswirkte, litt die Truppe unter der
Enge. „Unsere Welt endete in Bulgarien, das war auf Dauer zu
wenig.“ Ausschlaggebend war ein Gastspiel im damaligen Leningrad, beim großen Bruder UdSSR, von dem es laut ständiger Propaganda zu lernen galt. „Dort erlebte ich, wie die Frauen extrem hart arbeiteten, während die Männer es sich gut gehen ließen. Es gab einen florierenden Schwarzmarkt und große Armut. Dadurch wurde mir schlagartig klar, dass unser „Sozialismus” auf Lug und Trug gebaut ist und keine Zukunft hat.“
Die Folge waren der Ausreiseantrag und die Übersiedlung 1987 nach West-Berlin. Dort konnte der talentierte Schauspieler
nahtlos an die bisherige Karriere anknüpfen. Eine Theateragentur engagierte ihn für eine Tournee durch Deutschland, Österreich, Norditalien und die Schweiz. „Ich konnte endlich all die Gegenden kennen lernen, von denen wir in der DDR
immer geträumt hatten.“
Liebe unter der Maske
Die große Liebe kam im Theater. „Unter der Maske” funkte es so erheblich, dass Brieselang nun mit Anke Stahnke, der
Chefmaskenbildnerin an der Deutschen Oper in Berlin,
einen weiteren Star in seinen Grenzen hat. Anlass für den Umzug war Sohn Max, den das Ehepaar nicht im Problem-Kiez von Wedding, wo sie zentral an der Müllerstraße wohnten, aufwachsen lassen wollte. Mittlerweile ist Max 15 Jahre alt und ist wie die Eltern von Theaterluft begeistert. So sammelte er bereits Tournee-Erfahrung. Als ein Schauspieler unerwartet ausfiel, sprang Max Stahnke spontan ein, bekam dafür sogar schulfrei und viel Applaus.
Unbezähmte Muskeln
Die Familie wohnt seit 1998 im Öko-Eigenheim ganz aus Holz in Brieselang. Mit 55 Jahren denkt Claus Stahnke
schon ab und zu mal daran, wie es wäre, mehr Zeit im Feng Shui Garten zu verbringen. Allerdings geht dem Mimen
starker Männer mit dem weichen Herz dort manchmal die Kraft durch. So, als er seine
Thuja-Hecke „ein wenig“ zurück schneiden wollte und nur ein paar leere Äste übrig geblieben sind, die nun bestimmt keinen Sichtschutz fürs Badevergnügen im selbst gebauten Pool geben können! Wer ihn nicht vom Fernsehen kennt, der kann ihn neuerdings mit einer
modernen Bearbeitung des antiken Stücks Antigone im Blauen Haus im benachbarten Nauen erleben. Dort leitet er als
Dozent für Theater und
Regie der Musik- und Kunstschule Havelland eine Theatergruppe aus Jugendlichen. „Meine Idee ist, dass daraus eine Gruppe von Theater-Enthusiasten wird, mit der man dann auf Tournee gehen kann!“ Premiere war am 6. Mai 2011, alle Aufführungen fanden viel Anklang beim Publikum.
Infos:
www.claus-stahnke.de | |||||||||
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