Stand Juni 2014
Das kleine Haus in der Ringpromenade
scheint sich fast ducken zu wollen.
Eine unscheinbare Datsche, ist der erste
Gedanke. Wäre da nicht das Dach! Dort
entfaltet sich ein fast schon unübersehbares
Netz aus Drähten. Welch Riesenspinne mag
sich hier zum Ziel gesetzt haben, das ganze
Häuschen zu umgarnen? Oder handelt es sich
etwa um eine riesige Antennenanlage für ein
Spionagenest mitten in Falkensee?
Es dauert nicht lange, dann kommt ein
freundlicher Mann an den Gartenzaun: „Ich
werde immer wieder gefragt, was ich hier
mache“, ist er über die Verwunderung gar nicht
verwundert. Freundlich bittet er ins Haus: „Das
hat mein Vater größtenteils selbst gebaut, er war
Tischler. Die gesamte Inneneinrichtung stammt
von ihm“, klärt Hans Bartsch auf.
Radio-Pionier
Er stellt sich als passionierter Funkamateur vor.
Er schätzt selbstverständlich die immer kleiner
werdenden Mobiltelefone, mit denen man bei
stetig sinkenden Kosten in der ganzen Welt
herum telefonieren kann. Dennoch setzt er
vielfach aufs gute alte Morsealphabet, das vor gut
200 Jahren erfunden wurde. „Dazu benötige ich
die Antennenanlage“, erklärt er. Hans Bartsch ist
einer der wenigen, die dieses „aussterbende“
Hobby in Falkensee betreiben. Er erlebte die
Anfänge des Radios in seiner Kindheit in den
1940-er Jahren und war sofort fasziniert davon,
mit Personen und Ereignissen, die ungreifbar
weit entfernt sind, in Kontakt zu kommen.
Schließlich konnte er als „Funkmechaniker in der
PGH Rundfunktechnik“ in Falkensee das Hobby
zum Beruf machen. „Wir waren in der ganzen
Region für die Reparatur von Radio- und
Fernsehgeräten zuständig“, erinnert er sich.
Zündende Funken
Bei dieser frühkindlichen Faszination für die
Weiten des Äthers zündete der Funke sofort, als
ihn sein Physiklehrer an der Oberschule mit dem
Amateurfunk-Virus infizierte. „Die DDR wollte
nach außen hin Weltoffenheit demonstrieren und
wagte es nicht, dieses für sie durchaus lästige
Segment zu verbieten. Schließlich sind
Funkamateure in fast allen Ländern der Welt
erlaubt“, war sich Bartsch von Anfang an
bewusst, dass seine Leidenschaft ständig an die
Grenzen der Toleranz in dem SED-Staat stieß.
„Alle unsere Aktivitäten wurden abgehört und
aufgezeichnet. Ein falsches Wort und schon
drohte man in Spionageverdacht zu gelangen“,
hat der Falkenseer am eigenen Leib erfahren.
Sputnik am Ohr
Dennoch ließ er sich in seiner Begeisterung nicht
bremsen. Erst recht nicht, als es ihm tatsächlich
gelang, 1957 Signale von der sowjetischen
Weltraummission „Sputnik“ einzufangen. Dies
war bekanntlich die erste Sonde, die die
Erde umkreiste und stellte damit einen wichtigen
Meilenstein in der Weltraumfahrt dar. „Signale
aus dem All zu empfangen war ein ganz
besonderes Erlebnis!“, erinnert er sich.
Thor Heyerdahl im Zimmer
Durch sein Hobby konnte er sich einen weiteren
Kindheitstraum verwirklichen: „Ich war von
klein auf fasziniert von den abenteuerlichen
Forschungsreisen von Thor Heyerdahl. 1977
gelang es mir, mit ihm Funkkontakt
aufzunehmen, als er mit seinem neuen Schilfboot
Tigris eine fünfmonatige Fahrt vom Irak über die
Indusmündung in Pakistan bis Dschibuti
in Ostafrika durchführte“, nennt der mittlerweile
70-jährige Rentner einen weiteren Höhepunkt
seines Hobbys. Stolz zeigt er eine Karte, die ihm
der 2002 verstorbene norwegische Forscher
damals als Bestätigung des Funkkontakts sandte.
Besser als Internet?
Waren es damals noch wandschrankgroße Geräte,
so kommt Funkamateur Hans Bartsch heute mit
einem Empfänger aus, der weitaus zierlicher als
ein üblicher Desktop-PC aussieht. Kurz
eingeschaltet, meldet sich das Gerät mit
Rauschen, dann mit rhythmischen Piepstönen:
„Da ist gerade ein Funker aus der Ukraine dran“,
verblüfft Bartsch. Er antwortet, dreht ein wenig
an einem der Knöpfe und nickt erneut
erfreut: „Nun habe ich einen Schweden in der
Leitung“. Beherrscht der Falkenseer soviele
Sprachen? „Ich verständige mich am liebsten mit
dem Morsealphabeth. Dabei werden
internationale Kürzel angewandt, die aus der
englischen Sprache kommen und deshalb
Austausch über alle Länder- und Sprachgrenzen
hinaus ermöglichen“, klärt Bartsch auf. „Ich
benutze natürlich ebenso wie alle anderen heute
Internet und Funktelefon, aber diese
Internationalität ist nach wie vor dem
Funkkontakt vorbehalten“, beschreibt er den
entscheidenden Vorteil, der diesem
ungewöhnlichen Hobby immer noch den einen
oder anderen jugendlichen Fan erwachsen lässt.
Frauen-Schwarm!
Wer nun glaubt, dieses Hobby macht einsam, so
wie man es immer wieder von internetsüchtigen
Jugendlichen hört, der wird von Hans Bartsch
etwas besseren belehrt: „Durch die Antenne auf
dem Dach werde ich immer wieder
angesprochen. Erstaunlicherweise sind es
besonders Frauen, die sich dafür interessieren“,
schmunzelt der glücklich verheiratete
Familienvater. Zu seinem Bedauern konnte er
allerdings die Begeisterung für die fast schon
historische Technik weder an die Ehefrau noch
an die beiden Töchter weitergeben, die heute 40
und 42 Jahre alt sind. Nun sind die Enkel seine
große Hoffung!
Infos:
Tel. 01 76/96 90 20 92