Stand Juli 2012
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Autoren in Hohen Neuendorf
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Was verbirgt sich hinter den Fenstern des geheimnisvollen Hauses in der
Eichenallee? Was sind das für Bewohner, die keinen Wert auf einen kurzgeschorenen
Rasen legen und stattdessen Büsche, Bäume und Unkraut wild im Garten wuchern lassen? Warum kommen hierher so viele
Leute, die ganz anders aussehen, teilweise mit Anzug und Krawatte, dann wieder
ziemlich struppelig? Und warum geht es wenige Häuser weiter ähnlich zu, so, wie man es sonst in ganz Hohen Neuendorf nicht erlebt?
Den kleinen Roland quälten diese Fragen immer und immer wieder. Es trieb ihn zu den geheimnisvollen Häusern. Wie oft mag er sich hier als kleiner Junge herumgedrückt haben, bis er endlich all seinen Mut zusammenfasste, an der Türe klingelte, und sich über den warmen Empfang freuen konnte.
Verbeulte Hose, dicker Pulli
Denn die geheimnisvollen Bewohner des Hauses Eichenallee 33a waren der
Schriftsteller Wilm Weinstock, der hier zusammen mit seiner Frau Greta
Renner-Weinstock lebte. „Weinstock war ein Original, fast immer in verbeulter blauer Trainingshose,
dickem Winterpulli und schulterlangem Haar“, erinnert sich der kleine Bub heute. Roland Lampe ist heute 52 Jahre und
verdankt dem Schriftsteller sehr viel: „Er zog mich in seinen Bann und bestärkte mich in meinem Interesse an der Literatur.“
Rache des kleinen Mannes
Roland Lampe ist nun selbst Schriftsteller, hat mittlerweile fünf Bücher mit Kurzgeschichten geschrieben. In unterschiedlichen Verlagen erschienen „Der Besuch der Tante“, „Tage mit Trost“ und zuletzt „Die Rache des kleinen Mannes“. Seiner Heimatstadt Hohen Neuendorf, wo er aufgewachsen ist, blieb er immer
treu, zumindest gedanklich. Weil ihn die Begegnungen mit dem
Schriftstellerehepaar Weinstock und später dessen Nachbarn Karl Reinhold Döderlin seit seiner Jugend nicht mehr los ließen, beschloss er, sich auf die Spuren der Literaten in Hohen Neuendorf zu
machen. Heraus kam eine „Literaturgeschichte“, mit der Lampe Licht ins Dunkel eines bisher wenig beachteten Abschnitts der
Stadthistorie bringt.
36 Autoren von 1870 bis heute
Er konnte in der Zeit ab 1870 insgesamt 36 Autoren ausfindig machen, die in der
Stadt lebten. Sogar Christian Morgenstern hatte es hierher verschlagen,
allerdings nach Birkenwerder. Dort wollte er seine TBC-Erkrankung per Kur
loswerden. Gesundheitlich war der Aufenthalt wenig erfolgreich, literarisch hat
die Umgebung auf ihn durchaus Einfluss ausgeübt, wie er in späteren Briefen verriet.
Die „Literarischen Erkundungen“, wie Roland Lampe seine Recherchen nennt, sind spannend zu lesen. Die lebendige
Darstellung zeigt, dass der
Autor versteht, mit der Sprache umzugehen. Sein Ziel ist ja, ähnlich wie mit seinen Kurzgeschichten, für jeden zu schreiben.
Stolpe als Literatur-Wiege
Die Spanne der Personen, die er ausfindig machte, ist denkbar weit. Erste
literarische Impulse gingen vom kleinen Stolpe aus, das seit 2003 Ortsteil von
Hohen Neuendorf ist. Dort griffen die Lehrer Adolf Krüger (1819-1902) und Wilhelm Lahn (1832-1907) zur Feder. Letzterer war besonders
vielseitig. Seine Palette ging von Sagen und Märchen über ein Fachbuch „Lehre der Honig Verwertung“ bis zur eigenen Autobiografie, die viel vom damaligen Leben ans Tageslicht
bringt. Außerdem war er Mitherausgeber eines Volksschul-Lesebuchs, das von 1885 an in den
Schulen verwendet wurde.
Literatur-Zentrum
Nach dem Krieg verfügte Hohen Neuendorf über ein richtiges Literaturzentrum in der Hermann Löns Straße 26. Das stellte die Gemeinde in dieser Zeit, in der Wohnungen knapp waren,
Schriftstellern zur Verfügung. Hier lebten der Lyriker Kurt Barthel, genannt „Kuba“ (1914-1967), Konrad und Marianne Schmidt, Margarete Neumann und Martin Pohl.
Roland Lampe untersuchte die Lebenswege, sprach so weit möglich mit den Autoren oder sandte ihnen Fragebögen zu. Er stöberte den 2011 verstorbenen Texter der Puhdys, Wolfgang Tilgner und seine
charmante Ehefrau, die Sängerin Hanna Maria Fischer, auf. Und er stieß auf so unterschiedliche Schriftsteller wie Jürgen Rennert, der sich im Gespräch mit Lampe an seine Kindheit in Hohen Neuendorf erinnert. Tanja Wekwerth und
Angela Planert sind beide 1966 geboren und die jüngsten der Autoren, die Roland Lampe „entdeckt“ hat.
Lampe im Dunkeln
Ganz vollständig ist die „Literaturgeschichte von Hohen Neuendorf“ übrigens nicht, denn ein durchaus vielseitiger Autor fehlt: Ausgerechnet über Roland Lampe, der so erhellend Licht in die Literaturszene von Hohen
Neuendorf gebracht hat, gibt es darin nichts Erhellendes. Da ging wohl
Bescheidenheit vor Vollständigkeit.
Schade nur, dass die Erkenntnisse über die Literaten in der aufstrebenden Stadt am grünen Rand von Berlin bisher nur einem kleinen Kreis bekannt sind: „Leider hat sich noch kein Verlag gefunden“, bedauert Roland Lampe. Dabei wirft das Buch, das Roland Lampe in der Schublade
hat, ein ganz neues positives Licht auf Hohen Neuendorf, das bisher ja kaum als
Literatur-Wiege bekannt ist.
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