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De größte Frau kam aus Hohen Neuendorf! Der frühere Bürgermeister kannte sie noch persönlich und machte sich nun im Ruhestand auf die Spurensuche.
Günter Siebert kannte Anneliese Haase aus der Nachkriegszeit. Damals wohnte sie im Haus meiner Tante in der Hubertusstraße 36 in Hohen Neuendorf. Ich bin ihr öfers begegnet. Obwohl sie bereits eine Berühmtheit war, konnte man ganz normal mit ihr reden. Star-Allüren waren ihr fremd, so der 77-jährige Ex-Bürgermeister.
Angeregt durch den Geschichts-Kreis beim Kulturkreis machte sich der erste Nach-Wende Bürgermeister und langjährige Lehrer zusammen mit seiner Frau Ursula Siebert, 73, auf die Spurensuche. Nach intensiven Recherchen fanden sie heraus, dass in Hohen Neuendorf sogar noch der Neffe der lange Zeit größten Frau der Welt lebt. Werner Lippert erinnert sich noch gut an seine 1896 geborene Tante. Bis zum Alter von 20 Jahren hatte sie eine völlig normale Figur. Erst danach wurde sie immer größer und größer, bis sie mit 36 Jahren sensationelle 2,32 Meter war. Mit diesen Ausmaßen war die Hohen Neuendorferin weltweit gefragt. Unter den wechselnden Künstlernamen wie Katja van Dyk, Sofia oder Lady Gigant Katja trat sie in vielen Ländern in Shows auf und wurde bestaunt. Besonders in den USA war sie sehr gefragt.
Werner Lippert: Tante Anneliese war ab 1926 überwiegend auf Reisen. In den Sommermonaten war sie meist auf Tournee und nur in den Wintermonaten zu Hause. Sie war in der Lage, sich in acht Sprachen zu verständigen und fungierte teilweise sogar als Dolmetscherin, erinnert sich ihr heute 60-jähriger Neffe. Sie trat oft mit in Hohen Neuendorf ansässigen Lilliputanern auf, hat er weiter herausgefunden. Ein seltenes Foto aus dem Familienalbum von Werner Lippert bestätigte das. Allerdings verlieren sich die Spuren der Lilliputaner, die in der damaligen Jahnstraße 32, der heutigen Friedrich Engels Straße lebten, mit den Kriegswirren. Menschen mit ungewöhnlichen körperlichen Eigenschaften waren den Nazis suspekt und landeten oft im Vernichtungslager. Anneliese Haase sah diese Gefahr offenbar sehr klar. Jedenfalls kam sie erst wieder 1947 aus ihrer zweiten Heimat USA nach Europa zurück.
Bis 1953 wohnte sie bei ihrer Schwester in der Hubertusstraße 36. In der Wohnung dort hatten sie eine 2,20 Meter lange Couch, die dann noch um einen etwa 60 Zentimeter langen Bettkasten verlängert wurde, erinnert sich Werner Lippert. Am 1. August 1968 verstarb die größte Frau der Welt mit 72 Jahren. Heute ist die Chinesin De-Fen Yao mit 2,35 Metern Rekordhalterin.
Anneliese Haase war übrigens nicht die einzige Hohen Neuendorferin, die den Namen ihrer Stadt weltweit bekannt machte. So fanden Günter und Ursula Siebert weiterhin heraus, dass der seit den 1920-er Jahren des letzten Jahrhunderts äußerst berühmte Zaubermeister Alois Kassner mit seiner hübschen Ehefrau Erna und den Töchtern Elvira und Helma in der damaligen Wörther Straße 19, der heutigen Erdmannstraße, wohnten. Das sorgte für viel Aufsehen, denn sie hatten den Star ihrer Show, den Elefanten Toto, mit auf dem Grundstück! Kassner errang Weltruhm, weil er es schaffte, den riesigen Dickhäuter in seiner Show von der Bühne verschwinden zu lassen.
Allerdings fiel Toto dem Bombenkrieg zum Opfer. Der sensible Elefant litt so unter den Angriffen und dem damit verbundenen Lärm, dass er die Nahrung verweigerte und schließlich getötet werden musste. Das erfuhr Siebert von Dieter Stoltenburg, dessen Eltern eine Süßmosterei in Nachbarschaft von Kassners Grundstück hatten. Demnach waderte das Fleisch des Elefanten, so makaber es klingt, in die Kantine der Heinkel-Werke in Oranienburg und in die Backöfen der Nachbarn.
Infos Tel. 03303/502306
ZUR PERSON So interessant die Geschichten sind, die Günter Siebert aufgespürt hat, so spannend ist das eigene Leben des Hohen Neuendorfers. Ich bin hier geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen, erinnert er sich. Schon bald kümmerte er sich selbst um den Nachwuchs. Mit nur 19 Jahren wurde er nach einer Kurzausbildung Neulehrer und war, da selbst noch Jugendlicher, bei den Schülern äußerst beliebt. Er trat früh, nämlich 1946, in die SPD ein und schnell, nämlich 1952, aus der zwangsvereinigten SED wieder aus. Als in der DDR vormilitärische Erziehung an den Schulen eingeführt wurde, war der offene Konflikt vorprogrammiert. Ich habe den Krieg aktiv erlebt und bin seitdem Pazifist! Aus war es mit dem aktiven Unterricht, stattdessen wurde Siebert Fachberater für die Schulen im Kreis. Bei den ersten Wahlen nach der Wende wurde Günter Siebert zum eigenen Erstaunen mit 2000 Einzelstimmen klarer Wahlsieger. Der nächst-platzierte hatte nicht mal halb soviele. Und so wurde der beliebte Lehrer Bürgermeister.
Da saß ich nun in meinem Amtszimmer. Mein Vorgänger hatte mir innerhalb einer Stunde gezeigt, wo das Amtssiegel und die Schlüssel sind, und das war es dann! Damit begannen für Günter Siebert die zwei anstrengendsten aber auch interessantesten Jahre meines Lebens. Denn die Bürger hatten damals eine unheimliche Erwartungshaltung. Jedes Problem sollte beim Bürgermeister gelöst werden, doch dazu fehlten natürlich oftmals die Möglichkeiten. Dabei konnte man damals natürlich weit mehr bewegen, wie heute, wo alles in festen Bahnen ist. Im Unruhestand hat sich der Ex-Bürgermeister nun mit einem Laptop ausgerüstet. Darauf hat er mittlerweile auf 400 Seiten die eigene Lebensgeschichte niedergelegt, allerdings bisher nur in zwei Exemplaren aufgelegt. Aber das kann ja noch werden. Und ganz aktuell ist er nun dabei, den kleinen Flecken Buchholz im Amt Gerswalde mit einer Chronik zu erfreuen. Schließlich lassen sich dorthin die Spuren seiner Ahnen zurückverfolgen.
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