Stand November 2012
Einliegerwohnung als Musem
Der Ortschronist von Kleinmachnow ist sicher einer der ungewöhnlichsten Vertreter seines Metiers, denn er schätzt es, Rekorde aufzustellen.
So kann Günter Käbelmann stolz auf ein besonders abwechslungsreiches Arbeitsleben verweisen: „Ich hatte insgesamt zwölf Berufe“, strahlt der 76-Jährige. „Das ging von technischen Tätigkeiten im KFZ-Gewerbe und in der Flugzeugtechnik bis zum Fahrlehrer, der ich zuletzt war. Heute bin ich der älteste noch lebende Fahrlehrer in unserer Region. Im Metallbereich ist mir keine Arbeit fremd. Ich bin KFZ-Meister, kann schweißen und schlossern, drehen, fräsen und bohren und war Hauswart.“
Geschichte aus Arbeiterhand
Während in den meisten Orten ehemalige Lehrer sich die Arbeit machen, die Geschichte zu sammeln, Akten zu ordnen und Chroniken zu verfassen, liegt diese Tätigkeit ausgerechnet im feinen Kleinmachnow „in Arbeiterhand“. Allerdings ist Käbelmann, der nach eigenen Angaben seit 1988 offizieller Ortschronist der Gemeinde ist, aber bereits seit 1960 systematisch sammelt, bestenfalls einmal die Woche und da nur für ein paar Stunden in Kleinmachnow anzutreffen. Denn im Zuge der Wende machten die Rückübertragungsansprüche nicht mal vor dem Haus des Heimatforschers halt: „Meine Frau und ich flogen aus unserer Wohnung. Wir kamen dann vorübergehend in Berlin unter.“
Fuchs und Hase im Blick
Mittlerweile hat es ihn ins 525 Einwohner-Dorf Wittbrietzen verschlagen, ins letzte Haus vor Wald und Feld, mit bestem Blick auf Fuchs und Hase. Doch dem kann Günter Käbelmann durchaus was Gutes abgewinnen: „Hier sammeln sich Kraniche, die ich im Auftrag des Naturschutzes zähle“, schmunzelt er. Von seiner Einliegerwohnung im schmucken Eigenheim der Kinder hat er sie bestens im Blick.
Doch sein großes Interesse gilt immer noch Kleinmachnow, dem Ort, mit dem er prägende Kindheitserinnerungen verbindet: „Mein Großvater hatte in der Straße Kleine Eiche eine Gärtnerei. Als kleiner Junge half ich hier gerne mit. Er hat alle gängigen Pflanzen selbst gezogen und war deshalb sehr beliebt. Viele Berliner kamen hierher, er hatte wohl an die 100 Stammkunden.“
Schwarze Frauen
Es war eine fröhliche Zeit. Doch dann begann sich das Straßenbild zusehends zu verändern: „Immer öfter kamen  Frauen in schwarzer Kleidung. Ich hörte sie tuscheln, dass der Mann oder Sohn ‚gefallen’ war. Da dachte ich mir, was die wohl haben, wer fällt kann doch wieder aufstehen!“
Als der kleine Günter hinter die furchtbare Bedeutung dieses harmlos klingenden Begriffs kam, muss ihn wohl eine morbide Faszination erfüllt haben: „Ich begann systematisch die Todesanzeigen aus den Zeitungen auszuschneiden und in Heften zu sammeln. Meine Mutter arbeitete in Stahnsdorf und war für die Abrechnung der Offiziere zuständig. Sie wusste also, was passierte, und hat mir mehrmals meine Sammlung vernichtet, indem sie sie in den Ofen steckte. Erst war es verboten wegen Wehrkraftzersetzung und dann als die Russen kamen, ebenfalls nicht ratsam.“ Doch gerade das Verbotene reizte!
Verbotene „Schätze”
Käbelmann hat noch beste Erinnerung an Ereignisse wie die große Trauerfeier für einen NS-General, der bei einem Flug von Dresden nach Berlin abgestürzt war. „Erst fand die Beerdigung mit viel Prominenz statt und ein Jahr später eine Trauerfeier mit vielen NS-Größen, als das riesige Grabdenkmal mit dem immens großen Adler fertig war.“ Laut Käbelmann ist Kleinmachnows einziger hoher NS-Militär einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Der Ortschronist erinnert sich an viele Einzelheiten der damaligen Zeit, so an den „Rosenberg-Zug“. Der NS-Chefideologe und Verantwortliche für die Ostgebiete wollte, so Käbelmann, in einem Güterzug Kunstschätze unterbringen, um sie dem Zugriff der anrückenden Sowjetarmee zu entziehen und nach Bayern zu bringen. „Kurz vor Abfahrt des Zugs wurden die Schienen unpassierbar. In der Folge plünderte die Bevölkerung den Zug. Viele Sachen tauchten dann auf dem Schwarzmarkt im amerikanischen Sektor auf“, so Käbelmann.
Eine Tonne Münzen
Der leidenschaftliche Sammler nennt ein Münzarchiv von etwa einer Tonne Gewicht sein eigen. Er zählt 250 Alben mit „etwa einer Million Briefmarken“. Noch rekordverdächtiger sind die gut 100 Chroniken zu den unterschiedlichsten Themen. „Bis auf zwei Kirchenchroniken sind fast alle noch unvollendet, weil die Geschichte ja kein Ende kennt“, verblüfft Günter Käbelmann. Er hat akribisch alle Kriegstoten von Kleinmachnow zusammengestellt. Seine Aufstellung der Straßennamen ist als eine der wenigen seiner Arbeiten fertig und wäre druckreif: „Leider hat die Gemeinde dafür bisher kein Geld bereit gestellt.“ Deshalb lässt er andere Arbeiten erst mal unter Verschluss.
Kein Platz für Walter Janka?
Tag für Tag sammelt sich mehr an, so dass der ungewöhnliche Ortschronist von Kleinmachnow, der sich vor allem mit der düsteren Epoche der NS-Zeit beschäftigt hat, in seinen eigenen Akten zu „ersticken“ droht. Der kleine Raum, den der Heimatverein bisher hat, kann da kaum weiter helfen: „Wir bekommen oft Nachlässe von Kleinmachnowern angeboten, die wir regelmäßig ablehnen müssen, weil kein Platz da ist. Kürzlich bot uns die Tochter von Walter Janka  Mobiliar ihres Vaters, der Jahre in Kleinmachnow lebte, an. Wir konnten gerade noch Platz finden, um seinen Schreibtisch notdürftig unterzubringen.“
So ist es verständlich, wenn der Ortschronist mit seinen sehr ausgedehnten Sammlungen sich Sorge um den Fortbestand der Heimatgeschichte macht: „Selbst wenn wir das angedachte Haus in der Karl Marx Straße 117 bekommen, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die Räume wären viel zu klein. Dabei haben wir soviel Material, dass wir auf Jahre hinaus alle paar Monate eine andere interessante Wechselausstellung über bestimmte Themen bestücken könnten!“
Infos: Tel. 03 32 04/3 59 87
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