Stand Dezember 2011
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Musikalische Bäume
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Das Beil saust durch die Luft und trifft ein um das andere Mal auf den
Holzklotz. Kurz darauf lodert bereits das Feuer und wärmt schnell den Kamin in dem einsam stehenden Haus tief im Wald.
„Immer den Betonplattenweg entlang, dann rechts halten und vorsichtig fahren,
damit das Auto nicht aufsetzt. Wenn es so aussieht, als gehe es nicht mehr
weiter, sind es nur noch wenige hundert Meter“, so weist Wolfgang Georgsdorf alle ein, die erstmals zum ihm kommen. Der gebürtige Österreicher aus Linz ist ein Multikünstler, der in zahlreichen Disziplinen zuhause ist. Er schreibt, zeichnet,
komponiert, konstruiert, ist Bildhauer und Filmschaffender, arbeitet mit Gerüchen und bereitet Projekte vor. Das Unerforschte reizt seine Kreativität, er wagt sich an die Übergänge und Gelenke zwischen den einzelnen Künsten und überschreitet Grenzen.
Poesie der Idylle
Wolfgang Georgsdorf liebt die Natur, erst recht wenn sie weitgehend unberührt ist wie um den kleinen Bursee, einen Moorsee fast vier Kilometer außerhalb von Groß Köris. „So etwas findet man andernorts kaum noch. Man lebt hier, als ob die nächste Siedlung 500 Kilometer entfernt ist, dabei sind es bis ins Herz der
Weltstadt Berlin kaum 50 Kilometer. Hier hat die konservierende Kraft des
Sozialismus der Verhüttelung, also der ungebremsten Flächenausdehnung des Hausbaus, vorgebeugt. Hier, im Naturpark Dahme-Heideseen,
kann man ungestört arbeiten oder Freunde und Kollegen zum Diskutieren, Arbeiten, Kochen und
Essen einladen“, gibt er Einblick, warum er sich im Jahr 2000 gemeinsam mit seiner
Lebenspartnerin und „Tatort“-Kommissarin Eva Mattes für das alte ehemalige Eisenbahngebäude an der Strecke Berlin-Cottbus entschieden hat. Das Paar, das einen
gemeinsamen erwachsenen Sohn hat, findet hier Ruhe und Anregung zugleich für seine vielfältige künstlerische Tätigkeit. Eva Mattes liebt ihren Garten rund um das Haus, Wolfgang
Georgsdorf schwärmt von Winternächten, in denen der erste Zug mit seinem Stromabnehmer an der vereisten
Oberleitung blaue Funkenwelten erzeugt und durch die Fensterscheiben an die
Zimmerwände projiziert.
Soziales Kunstwerk
„Wir sind mit dem Privileg der Anonymität ins Schenkenländchen gekommen, aber dann passierte hier Ungeheuerliches und ich bin an die
Lichtung getreten“, erinnert sich Georgsdorf an das Jahr 2007. Er wurde Gründer und Sprecher einer Bürgerinitiative, die sich erfolgreich gegen das Vorhaben des Energieunternehmens
Wingas gewehrt hat, mitten durch Groß Köris die riesige Erdgasleitung OPAL zu ziehen und eine Gasverdichteranlage in der
Größe von zehn Fußballfeldern und mit der Lärmkulisse von vier Flugzeugturbinen zu bauen. „Die Arbeit in der Bürgerinitiative war für mich wie einsoziales Kunstwerk. Anfangs wurden wir angesichts der mächtigen Gegner in Politik und Wirtschaft als Träumer belächelt. Dann haben wir ein praktisches Beispiel für erfolgreiche zivile Selbstbehauptung und für die Früchte von Courage gegeben. Wir haben uns nicht veralbern lassen, sondern
Demokratie gelebt. Wir sind hier alle enger zusammengerückt, ich habe viele neue Freunde gewonnen“, so der überzeugte Streiter für Gerechtigkeit sowie Vielfalt der Menschen und Meinungen.
Für das Amt hat der Künstler Leitfäden zur Identität und zur kulturellen Entwicklung im Schenkenländchen verfasst. Ihm geht es darum, Kreativität zu erwecken sowie erweckte Kreativität gedeihen zu lassen.
Lesefährte durch den Wald
Im Naturpark Dahme-Heideseen hat er gemeinsam mit dem Landesbetrieb Forst
Brandenburg das deutschlandweit einmalige Kunst- und Kulturprojekt „Lesefährte Waldweisen“ verwirklicht. Im Gebiet der Oberförsterei Hammer finden Spaziergänger über eine Strecke von 20 Kilometern Lesepulte mit kurzen Texten über den Wald. „Das sind kleine aufgefädelte Textperlen. Damit erliest man sich beim Wandern ein Stück Wald- und Weltliteratur“, so der Künstler.
Die Lesepulte selbst stehen vom Weg aus sichtbar etwa alle 300 Meter und bilden
so eine Fährte, der man folgen kann. Sie bestehen aus rund eineinhalb Meter hohen massiven
Kieferstammstücken mit „Harzlachten“, also jenen Kerben, die zur Harzgewinnung entstanden sind und die aussehen wie
die Seiten eines aufgeschlagenen Buches. „Der Weg soll wachsen, jeder kann poetische Texte, Ausschnitte aus Sagen oder
Zitate zum Wald einschicken. Über die Jahre könnte eine fortlaufende
Lesefährte das Dahmeland durchziehen und über Ländergrenzen hinweg sogar zur europäischen Lesefährte werden“, blickt Georgsdorf in die Zukunft.
Singende Bäume
Schon 2005 hat er begonnen, sein Waldxylophon zu entwickeln, also ein Xylophon
aus den Bäumen des Waldes. „Wir kommen auf 150 Töne und haben schon vor hunderten Leuten am Forsthaus Hammer oder auf Einladung
der Forst am Brandenburgtag beim Schloß Königs Wusterhausen und zuletzt im Wildpark Potsdam Sanssouci gespielt. CD und
Musikvideo sind in Arbeit. So ein Waldxylophon besteht aus mehreren Modulen.
Die tiefen Töne kommen von bis zu 16
Meter langen liegenden Stämmen, die hohen aus 20 bis 30 Zentimeter kurzen Stücken.“
Je nachdem, wie lang die Stämme sind, ob sie geschält wurden oder nicht und natürlich je nach Baumart entstehen die unterschiedlichsten Töne. Allein lässt sich dieses Rieseninstrument natürlich nicht spielen, da braucht es schon sechs bis zwölf Personen.
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