Rolling Stones im Kopf und „Stern
Combo Meißen“ vor Augen: In Teurow
sitzt ein Musikfan, der mit vielen
angesagten Stars ebenso auf du und du
ist wie mit den Vöglein vor seinem
Fenster.
Reinhard Baer gehört zu den angesagten
Konzertberichterstattern. Das bringt es mit
sich, dass er mit den Stars von gestern und
heute vielfach persönlich bekannt ist. So
geht er regelmäßig auf Konzerte von
„Karat“, den „Puhdys“, von „Stern Combo
Meißen“, „Engerling“, Gabi Rückert,
Stefan Gwildis und immer wieder zur
„Modern Soul Band“. Er nahm die Musiker
von „Torfrock“, die man vom Film
„Werner Beinhart“ kennt, ebenso ins
Visier, wie die Münchner 1980-er NDW-
Band „Spider Murphy Gang“, die mit
„Skandal um Rosi“ einen Riesenhit
landete. Dabei gilt es für die Bands, einen
besonders guten Eindruck zu
machen, denn der 63-jährige gelernte
Maschinenbauingenieur und spätere
Betriebsstellenleiter im Staatlichen Forst
mit Sitz in Teurow beobachtet mit
Kamera und spitzem Bleistift. Seine
Konzertberichte sind anschließend im
Internet-Fachblatt „Deutsche Mugge“ vom
„Verein für Musik in Deutschland“ zu
lesen. Um nah an den Stars zu sein, ist er in
der In-Gaststätte „Neu Helgoland“ am
Müggelsee Stammgast geworden. „Dort
treffen sich die Künstler regelmäßig, denn
viele wohnen rund um Köpenick“, so
Reinhard Baer.
Viele der Musiker begrüßen den Mann aus
dem ehemaligen Forsthaus von Teurow per
Handschlag, denn sie kennen ihn und
schätzen seine eindrucksvollen
Konzertbilder: „Ich möchte mit der
Kamera das Besondere entdecken, den
Moment, der alles sagt, die
Mimik, die das ganze Konzert ausdrückt“,
erklärt er. „Ich möchte mit meinen Fotos
dazu anregen, genauer hinzusehen.“ Das
erklärt, warum er neben oftmals packenden
Konzertfotos interessante
Naturaufnahmen aus seiner Umgebung
macht. Vom ehemaligen Forsthaus aus hat
er den idealen Ausgangspunkt, um Vögel,
Landschaften oder was so kreucht in Wald
und Wiese mit dem Teleobjektiv
einzufangen.
Wer so nah an den Stars ist, die so gut sind,
dass sie selbst 25 Jahre nach dem
Mauerfall immer noch aus dem Fundus
ihrer in der DDR begonnen Karriere
schöpfen können, bekommt sicher viel
davon mit, wer Starallüren hat und wer
bodenständig ist? „Fast alle durch die Bank
sind gestandene Musiker, die auf der
Bühne zeigen wollen, was sie können. Es
geht ihnen darum, das Publikum zu
begeistern. Starallüren habe ich kaum
angetroffen. Lediglich die Saxofonspielerin
der ‚Modern Soul Band’ ist etwas
eigenwillig. Sie möchte nur in bestimmtem
Winkel fotografiert werden und immer mit
dem, was sie als ihre beste Seite ansieht,
aufs Bild kommen. Ich habe mir
Einzelaufnahmen von ihr abgewöhnt.“
Manchmal gibt es mit an sich befreundeten
Musikern ebenfalls Probleme, nämlich
dann, wenn sich Dritte einmischen. So
erlebte Reinhard Baer ausgerechnet bei
„Karat“ sein persönliches Waterloo in
Form eines regelrechten Rausschmisses.
„Der Tourmanager wollte starke Hand
beweisen. Dabei war vorher alles
abgesprochen!“ Die Strafe: „Karat machte
mit mir ein Extra-Fotoshooting. Dabei
merkte man erst, dass die routinierten
Musiker bei so einem speziellen Auftritt
durchaus aufgeregt sein können.“ Seitdem
begrüßt man sich per Handschlag.
Konzert-Profi Reinhard Baer hat für die
Band viel Lob parat: „Ursprünglich gab es
ja viel Skepsis, ob Claudius Dreilich in die
Schuhe seines verstorbenen Vaters und
Karat-Chefs Herbert Dreilich passt. Er
zeigt nun bei jedem Auftritt, dass er das
kann. Er hat die Band gerettet. Manche
beschreiben ihn als etwas unnahbar, das
stimmt aber ebenfalls nicht.“ Zu den
Bands, die ihm 2014 vor die Linse
kamen, gehörten „Renft“, „Electra“ und
„Lift“. Reinhard Baer hat neben den Ost-
Bands ebenso internationale Kult-Gruppen
der 1970er Jahre vor seiner
Linse. Dazu gehörten „The Sweet“. Nur
etwas ist dem Hausfotografen des heutigen
Ostrock noch nicht gelungen: „Meine
persönliche Lieblingsband sind und waren
schon immer die ‚Rolling Stones’. An die
bin ich leider noch nicht rangekommen.“
Der Star-Fotograf aus Teurow ist seit
früher Kindheit mit dem „dritten Auge“
unterwegs. „Wir hatten in der achten
Klasse einen Lehrer, der begeisterter
Fotograf war. Der hatte das Interesse in mir
geweckt. Er hat uns ab und an Dias von
seinen Aufnahmen gezeigt. Das empfand
ich damals als so eindrucksvolles Erlebnis,
dass ich mir vom ersten eigenen Geld eine
einfache Rollfilm-Box für 16 DDR-Mark
gekauft hatte. Daran konnte man nur Sonne
oder Wolken einstellen.“ Reinhard Baer
musste zum Grundwehrdienst. „Ich habe
damals meinen gesamten Sold gespart und
mir anschließend einen Traum
wahrgemacht, indem ich mir eine Praktika
L für 600 Mark gekauft habe.“ Tagsüber
sorgte er beruflich in der Instandhaltung
dafür, dass Bagger und schwere
Baumaschinen wieder funktionierten. In
der Freizeit war er auf Fotopirsch. Nach
Teurow brachte ihn die Wohnungsnot.
„Wir lebten in Pritzwalk mit zwei Kindern
in nur zwei Zimmern, das ging auf Dauer
einfach nicht. In Teurow bekamen wir die
Möglichkeit, das alte Forsthaus zu
übernehmen.“ Ehefrau Ursula Baer fand
einen Arbeitsplatz in der Forstverwaltung,
Reinhard Baer nahm seine Namen als
Auftrag. Statt Bären fand er zwar nur
Eichhörnchen, aber das war ja eine gute
Übung auf dem Weg zum angesagten
Konzertfotografen. Schließlich sind in
beiden Fällen gutes Auge und
Reaktionsschnelligkeit wichtig, um den
richtigen Moment einzufangen.