Der Rebell von Rügenn liebt sanfte Kurven

Star-Fotograf sorgt für Wellen

Republikflucht gleich mehrmals, dennoch hoch ausgezeichnet, dann wieder verschmäht und nun hochgerühmt – man muss wohl schon Rüganer sein, um einen derartigen Lebenslauf hinlegen zu können!
Die Rede ist von Klaus Ender, 63. Wir treffen ihn in seinem Reihenhaus in Bergen, gleich beim alten Stadtzentrum. Und schon sprudelt es aus ihm heraus: „Es ist eine Schande, wie man diese grazile Insel Rügen misshandelt. Von Alleen kann man bald nicht mehr sprechen, überall Leitplanken“. Seinen Ärger darüber manifestierte er im neuen Rügen-Kalender 2003, damit es jeder mitbekommt. Ender ist der Rügen-Fotograf, ist Globetrotter, ist internationaler Star-Fotograf, hat ein Millionenpublikum und gilt in Fachkreisen als die Koryphäe, wenn es um das Spezialthema „Filterfotografie“ geht. Sein Fachbuch ist selbst nach über zehn Jahren noch immer das Standardwerk, nach dem angehende Fotografen lernen. „Wenn ich im frühen Morgenlicht die Härchen auf einer Knospe sehe, dann empfinde ich einen Schauer, der sich durch nichts beschreiben lässt.“ Ender ist sensibel, das sieht man seinen Naturaufnahmen immer an. Ender hat Sinn fürs Schöne, das sieht man seinen Aktaufnahmen an. „Akt mit Takt“ heißt der Titel eines Buchs, das er zusammen mit dem DDR-Kaberettisten Hansgeorg Stengel machte. Modell für Titel und Rückseite: Ehefrau Gabriela Ender. Und Klaus Ender gäbe ausreichen Stoff für gleich mehrere Romane. Sein Lebenslauf ist so bunt wie seine Bilder. Ender wurde 1939 in Berlin geboren – aus Ersparnisgründen. „Meine Mutter stammte aus Landsberg an der Warthe, das heute in Polen liegt. Sie hatte eine kurze und unvorsichtige Liebe, das Ergebnis war ich. Weil man damals in der Charité kostenlos entbinden konnte, kam ich als Berliner auf die Welt.“ Mit dem Kriegsende wurden die Enders vertrieben und landeten in Wittenberge an der Elbe. Der kleine Klaus war ein ziemlich mickriges Bübchen, aber zäh. Und Schulsprecher war er ebenfalls. Allerdings hatte er keine Lust, als schulische Übung Schützengräben auszuheben um den Klassenfeind abzuwehren. Doch derartiger Widerstand war nicht erlaubt, es gab erheblichen Druck von oben. „Also setzte ich mich als damals 18-Jähriger in den Zug und fuhr nach Hamburg. In der dortigen Sammelstelle für Übersiedler aus der Zone beknieten mich die Nonnen, wieder zurück zu fahren: „Junge, ohne Schulabschluss hast Du im Leben keine Chance!“ Ender kehrte zurück und wurde, obwohl gerade 39 Kilo schwer, per Zufall erfolgreicher Ringer: „Vize-Landesmeister Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern“ zählt er auf. Hauptberuflich lernte er Bäcker. Und mit dem Lehrabschluss in der Tasche setzte er sich wieder in den Westen ab. Er landete in Friedrichshafen und kaufte sich vom ersten Gesellenlohn eine Kodak Retina. Vorher musste er seinen Gesellenbrief nochmals machen und errang ganz nebenbei die Silbermedaille des Bäckerhandwerks Schwaben! Eigentlich war alles gut, doch dass ihn die Leute als „Saupreiß“ titulierten war nicht schön. In die Kirche ging er ebenfalls nicht. Und das Heimweh wurde immer stärker. Also klopfte Ender schließlich 1959 wieder an die Türen der DDR an...
1962 lockte ihn eine Ausschreibung als Saisonkraft nach Rügen und seitdem lässt ihn die Insel nicht mehr los. Seine Bilder fanden Eingang in immer mehr Zeitschriften, sogar der Eulenspiegel druckte sie. „Ich wollte der beste Fotograf der DDR werden!“ Die angestrebte Aufnahme in den Journalisten-Verband Rostock wurde ihm aber immer wieder verweigert. Begründung: „Denken Sie, man kann den Sozialismus mit nackten Ärschen aufbauen?“ Schließlich wurde es Ender zu eng, er ging nach Potsdam und wurde mit offenen Armen empfangen: Mitgliedschaft im Journalistenverband, Werbefotograf, eigenes Auto, viel Geld, eine Super-Blitzkarriere. Seine Ausstellung „Akt und Natur“, die in Rostock immer wieder abgelehnt worden war, wurde zum Riesenerfolg. Es folgten Auszeichnungen, das Fernsehen berichtete, sogar in den ARD-Tagesthemen wurde Ender vorgestellt. Doch Ender wäre nicht Ender, wenn er sich nicht selbst ein Bein gestellt hätte: „Ich hatte mittlerweile herausgefunden, dass mein Vater Österreicher war und mich heimlich um einen österreichischen Pass bemüht.“ Den bekam er, aber ebenso als Folge massiven Ärger mit den DDR-Oberen. So ging es zum Dritten mal, diesmal per „Rausschmiss“ in den Westen. Ohne Geld, aber mit seiner Traumfrau Gabriela, die er in Potsdam als 14-jähriges Mädchen als Modell und später als Geliebte gewonnen hatte, galt es ein neues Leben aufzubauen. Erst das Ringen um einen Bankkredit, dann der Kampf, im Dreiländerdreieck Deutschland, Schweiz, Österreich sich gegen Konkurrenten durchzusetzen, die den „Ossi“ nur belächelten. Doch der zähe Ringer setzte sich durch, arbeitete für Tourismusverbände. 1989 kam der Durchbruch: Sein Poster für den Tourismusverband Vorarlberg wurde in London zum „Tourism Poster of the Year“ ausgezeichnet. Vorher war er per Zufall an eine Sammlung von 120 Filtern geraten und beschäftige sich damit so ausführlich, dass er 1995 ein Buch schrieb, das noch heute Standard-Werk ist. Doch einmal Rügen, immer Rügen. Seit 1996 ist die Familie Ender zurück und der Insel-Photograph plant von dort seine Reisen in fremde Länder. „Würde man alle meine Fahrten zusammenrechnen, wäre das 25 Mal um die Erde“. Sein Bildarchiv umfasst 85000 Dias und 10000 Schwarz-Weiß Fotos, seine Bilder finden sich in Büchern, auf CDs, auf Streichholzschachteln und Postern, auf unzähligen Postkarten. Und Ender freut sich über Besucher in seinem Reihenhaus in Bergen und bietet dort Postkarten und Fotos, wie man sie sonst kaum bekommt. Vorherige Anmeldung unter
Tel. 03838/252481 ist erwünscht. Schließlich fühlt der 63-Jährige sich wie 36, ist oft unterwegs oder auch mal baden, am liebsten am Strand von Klein Zicker. „Der ist so schön unberührt, dort kann man auch heute noch FKK-baden. Ich würde mich ganz nett blöd fühlen, nach 20 Jahren Aktfotografie nun am Strand in Klamotten herumzurennen!“

KONTAKT
www.Klaus-Ender.de
www.ruegen-bild.de

Klaus Ender begann als Amateur und ist heute Starfotograf.

Mit Filtertechnik will Ender die Schönheit der Natur „überhöhen“.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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