Stand April 2011
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Als erstes am Tatort
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Authentisches Polizeileben ist für einen Kriminalroman das Tüpfelchen auf dem i. Doch kaum jemand kann das so gut schildern wie ein
Wandlitzer. Das beweist der neue Roman „Netzfischer“ erneut, der im Herbst 2010 erschienen ist.
Krimi-Autor Uwe Hartig trifft man im Eigenheim in der Naturidylle von
Stolzenhagen. Ans schöne Grundstück mit dem gepflegten Garten grenzen Wald und Wiese. „Hier ist die Welt zu Ende“, schmunzelt Hartig, doch das Lachen bleibt selbst ihm als Autor im Halse
stecken: „Leider schätzen Frauen diese Idylle nicht sehr lange. Deshalb bin ich meist alleine!“
Als erster am Tatort
Ob das der Grund ist, so ruhelos die Tastatur des Computers zu bearbeiten, trotz
aufregenden Alltags im Schichtdienst? „Ich erlebe jeden Tag mehr Schicksale als normale Leute im ganzen Leben. Ich sehe
hinter die Abgründe unserer Welt“, überrascht der freundliche Wandlitzer. „Ich bin bei der Kriminalpolizei in der Abteilung, die als erstes an den Tatort
kommt. Ich habe in meinem Leben vielleicht 3 000 Leichen gesehen.“
Der falsche Anschein
Man merkt schnell, an Authenzität und Themen fehlt es dem Wandlitzer also bestimmt nicht. „Als junger Polizist hatte ich mal einen Verdächtigen zu bewachen, dem seine Ehefrau vorwarf, die Tochter sexuell belästigt zu haben. Er sah exakt so aus, wie man sich Kinderschänder vorstellt und verhielt sich außerdem unkooperativ und auffällig. Also war für uns alles klar. Ich begleitete ihn zur Toilette, blieb natürlich davor stehen. Plötzlich war er auf dem Fenstersims und wollte runterspringen. Wir konnten ihn
gerade noch abhalten. Später stellte sich heraus, dass er unschuldig war. Seine Frau hatte einen Freund und wollte ihn aus der Wohnung haben. Deshalb hatte sie die Geschichte erfunden. In der DDR war es schließlich schwierig, eine neue Wohnung zu bekommen“.
Offenbar war das ein Schlüsselerlebnis, das Uwe Hartig dazu brachte, zur Feder zu greifen. „Ich lernte, dass im Leben nichts so ist, wie es scheint!“
Zuviel Horror?
Literarisch aktiv war der
gebürtige Leipziger bereits als Kind: „Mit sechs Jahren habe ich meine ersten Gedichte geschrieben. Meine Armeezeit diente ich bei der Bereitschaftspolizei in Basdorf ab. Dort verfasste ich Texte, in denen ich die Zustände durch den Kakao zog. Das machte viel Spaß, weil der Beifall riesengroß war.“
Mittlerweile gibt es viele Kurzgeschichten und insgesamt drei Romane. Der erste
Roman „Divinusa Die Seherin“ kam 2003 heraus und wurde sogar als Kinostoff entdeckt: „Ich bekam den Auftrag, daraus ein Drehbuch zu verfassen, das eine Filmfirma
wirklich angekauft hat“, freut er sich über den Erfolg seines Erstlings. Dabei ist der Stoff untypisch für ihn, denn die Geschichte spielt im Mittelalter. Das nächste Buch entstand sozusagen im Streifenwagen. Hartig hatte entdeckt, dass sein
Kollege Heiko
Vesper, langjähriger Partner bei Einsätzen, ebenfalls eine Leidenschaft fürs Schreiben hat. „Wir kamen auf die Idee, zusammen einen Roman zu verfassen!“
Dabei galt es, verschiedene Strömungen unter einen Buchdeckel zu bringen: „Es stellte sich heraus, dass Vesper eine Vorliebe für Horror-Szenerien hat.“
Beide teilten sich den Blickwinkel: „Ich schrieb die Geschichte aus der Sicht des Polizisten, Vesper aus der Sicht
des Täters.“
Obwohl Uwe Hartig bei Aufnahme der Arbeiten an einem Buch ein Konzept erstellt,
lässt er dann seinen Personen viel Raum zur Entwicklung. „Das Fantastische am Schreiben ist, dass man sich wie Gott fühlen kann. Man schafft Figuren und bestimmt, was sie zu machen haben. Allerdings
bin ich oft selbst überrascht, wie sich meine Charaktere im Laufe des Schreibens entwickeln.“ Angst davor, dass ihm die Themen ausgehen, muss er bei seiner Erfahrung nicht
haben. „Es gibt nur zwei Dinge, vor denen ich wirklich Angst habe: Dass ich mal Krebs
bekomme und dass mir die vielen Toten in Albträumen nachts erscheinen. Dann müsste ich meinen Hauptberuf an den Nagel hängen, aber noch ist es nicht so weit.“
Hingegen kann Uwe Hartig vieles, worüber sich seine Zeitgenossen aufregen, nicht nachvollziehen: „Heute streiten sich die Leute oft völlig unnötig und machen sich dadurch selbst das
Leben kaputt!“
Gewalt und Rotlicht-Milieu
Das Faszinierende an den Geschichten des schreibenden Kriminalpolizisten ist die
Mischung aus fundierter Erfahrung, dem Schöpfen aus einer Realitität von Abgründen, die sich manch Krimi-Autor gar nicht so vorstellen könnte und der Fantasie. Das merkt man dem Gemeinschaftswerk „Nur der Mann im Mond schaut zu“ ebenfalls an. Hier geht es um geheimnisvolle Morde und eine rätselhafte Prostituierte – eben so richtig aus dem täglichen Leben des Kriminalisten.
„Netzfischer“, der neue Roman, ist im Internet angesiedelt. Die virtuelle Welt vermischt sich
immer mehr mit der Wirklichkeit, immer weniger lässt sich beides unterscheiden. Im Mittelpunkt steht ein Kriminalpolizist, der
auf der Suche nach mehr als Leichen und Täter ist und auf eine Frau stößt, die ihn zu faszinieren beginnt...
Kuscheln statt schreiben?
Nun darf man gespannt sein, wie die Fantasiewelt von Uwe Hartig mit seiner
eigenen Realität zusammen kommt. Denn er hat ebenfalls eine neue Liebe gefunden, eine Ärztin aus Leipzig, die er nun für die Einsamkeit seiner Wahlheimat Stolzenhagen begeistern möchte.
Wenn es gelingt, ob dann noch genügend Zeit für den nächsten Roman bleibt?
„Ich schreibe nur im Winter, wenn es draußen dunkel und kalt ist“, so Hartig. Nun bleibt wohl abzuwarten, ob Kuscheln die Feder beflügeln oder hemmen wird!
Infos:
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