Von der Manege ins Rathaus

Artistin weist Besuchern den Weg

Schon als „Pitti“ bezauberte sie das Publikum in ganz Deutschland. In Großstädten wie Berlin, Dresden oder Magdeburg versetzte die Wandlitzerin das Publikum in Begeisterung. Heute muss sie dazu nicht mehr reisen. Nunmehr wirbt sie für die Schönheit und die Sehenswürdigkeiten des Barnim.
Petra Sankowski ist vielen als die freundliche Leiterin der Bürger- und Gäste-Information im Rathaus bekannt. Doch bevor sie hier sesshaft wurde, verzauberte sie zusammen mit den Eltern Ruth und Gerhard Müller in vielen Ländern als Artistin das Publikum. Im Mittelpunkt stand eine Darbietung, die Zirkusgeschichte machte: „Wir jonglierten mit Strohhüten und Handspiegeln. Dieses Kunststück hatten meine Großeltern Marie und Max Krelle erarbeitet und erzielten damit weltweit Erfolg. Vor über hundert Jahren traten sie damit in Zirkusmanegen und Variétés auf. Sie waren sogar in Südamerika auf Tournee“, weiß Petra Sankowski.
Sie ist der letzte Sproß der ältesten Brandenburger Artistenfamilie, die noch selbst durch die Welt reiste. Mutter Ruth Müller führte als Tochter der Artistentruppe „Die Ellerks“ diese Tradition fort und fand in Gerhard Müller einen talentierten Partner. Nach dem Krieg hungerte die Welt nach Ablenkung vom oft harten Alltag. „Wir waren in Ost- und Westdeutschland gefragt und gastierten sogar in der damaligen Sowjetunion“, erinnert sich Petra Sankowski. Um auf der Bühne erfolgreich zu sein, hieß es hart trainieren. Bereits im Vorschulalter erhielt die Wandlitzerin Ballett-Unterricht. Mit zehn Jahren durfte sie dann mit den Eltern mitreisen. „Das bedeutet mindestens zwei Stunden am Tag hartes Training, abends bis spät in die Nacht Auftritte und trotzdem eifrig für die Schule lernen.“ Denn als Artistenkind musste Petra im Gastspielort der Eltern die Schulbank drücken und bei Abreise jedes Mal per Zensur bestätigt bekommen, dass sie gut gelernt hatte. „Dabei hatte jede Schule ein anderes Niveau. In Wandlitz überprüfte meine Heimatschule dann, ob ich trotzdem erfolgreich war.“ Mutter Ruth Müller feiert 2006 ihren 90. Geburtstag. Sie erinnert sich noch gut, wie alles anfing: „Unsere Familie hatte ursprünglich eine Bäckerei und Konditorei in Berlin-Kreuzberg. Sie sind heute noch ein Begriff in der Fachwelt, weil mein Großvater den Windbeutel erfunden hatte. Doch der Sohn, mein Vater Max Krelle, konnte sich für dieses Handwerk nicht begeistern. Sein einschneidendes Erlebnis war ein Besuch im Friedrichstadtpalast bei einem Gastspiel vom Zirkus Renz.“
Der Konditorsprössling war besonders von den Jongleuren fasziniert. Er übte und übte – und irgendwie muss er erkannt haben, dass der Erfolg nur mit Einzigartigkeit zu erreichen ist. „Dadurch kam er auf die Idee, mit Hüten und Handspiegeln zu jonglieren. Das machte niemand, denn die leichten Strohhüte werden von jedem Windhauch aus der Bahn gebracht, da sie kaum Eigengewicht haben. Sie sind nur äußerst schwer beherrschbar. Jonglieren mit Kugeln oder Keulen ist viel einfacher“, haben Ruth Müller und Petra Sankowski später selbst erfahren.
Die Ellerks wurden international bekannt, zwei Generationen von Kindern machten es ihnen nach. Heute haben die Wandlitzer einen Ehrenplatz im Internationalen Artistenmuseum in Klosterfelde. Dessen „Herz“ Roland Weise ist selbst ein Unikum, das Geschichte machte. Der gelernte Journalist und ursprüngliche Zirkusberichterstatter in Thüringen war in der DDR schließlich für das Management von Unterhaltungs-Veranstaltungen, Shows, Konzerten und Galas verantwortlich. Sein „Ruhm“ sprach sich bis ins „kapitalistische Ausland“ herum. Der kürzlich verstorbene Fürst Rainier von Monaco wollte ihn für die Ausrichtung seines jährlichen Internationalen Zirkusfests haben. „Die DDR erlaubte mir dies, weil sie wollte, dass Monaco für uns in der UNO stimmt“, erinnert sich Weise. Die Wandlitzer Artistenfamilie weiß noch gut, wie ihr der „große Weise“ zur Seite stand: „Er half uns ein West-Auto, einen Borgward Hansa über die Grenze zu bringen, was eigentlich nicht ging. Vorher mussten wir mit unseren Schrankkoffern und dem Hündchen per Bahn zu den Auftritten reisen.“
Nach dem Schulabschluss von Petra Sankowski als Wirtschaftskauffrau hängte die Familie die Hüte an den Haken ihres Hauses in Wandlitz. Doch beinahe hätte es noch einen Artisten-Sproß gegeben: Tochter Babette Sankowski war gerade dabei, sich für die Artistenlaufbahn fit zu machen, als die Wende ihren Lebensweg in eine andere Richtung lenkte.
Infos Tel. 03 33 96/2 72

Ruth und Gerhard Müller machten mit ihrer Tochter Petra (m.) in der Nachkriegszeit als Show-Familie Schlagzeilen.

Noch heute wissen Ruth Müller und Petra Sankowski, dass man mit Strohhüten viel mehr machen kann, als sie auf den Kopf zu setzen.

Bei Roland Weise, dem Chef des Internationalen Artistenmuseums, haben berühmte Artisten einen Ehrenplatz.

Roland Weise war der einzige DDR-Bürger, der am Hofe von Rainier von Monaco regelmäßig gefragt war. Er sprach noch mit Partricia Gracia, bevor sie bei einem Autounfall tragisch zu Tode kam.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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