Stand Juli 2009
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Werder bekommt richtiges Theater
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Die Sonne scheint in der Baumblütenstadt so zuverlässig, dass hier trotz nördlicher Lage sogar ausgezeichneter Wein wächst. Die „Comédie Soleil“ will dennoch zusätzliches Licht in die Inselstadt bringen und hier die Sonne lebendiger Kultur
erstrahlen lassen.
Schauplatz wird das momentan leerstehende Kaufhaus an der Kreuzung von
Eisenbahn- und Potsdamer Straße sein. Dort möchte die früher in Potsdam beheimatete Truppe um den Theaterenthusiasten Michael Klemm ein „richtiges Schauspielhaus“ mit knapp hundert Plätzen einrichten. Sogar Raum für eine eigene Probebühne ist in dem Gebäude mit der markanten Rundform. „Sobald wir die Baugenehmigung haben, geht es los. Wir sind startklar und können den Umbau in wenigen Wochen bewerkstelligen“, so der 55-Jährige. Der Zeitplan klingt ambitioniert, aber Michael Klemm hat soviel
Erfahrung, dass man ihm glauben darf. „In Werder wird mein mittlerweile fünftes Theater entstehen.“
Von der Bergstraße nach Werder
Der Schauspieler und Regisseur stammt aus dem westdeutschen Bensheim an der
Bergstraße. „Deshalb fühle ich mich in Werder besonders wohl, vieles wirkt vertraut“, schmunzelt er. Erste Bühnenerfahrung sammelte er an der Schule. Trotz Berufswunsch Arzt ließ ihn „der Theater-Bazillus“ nicht mehr los. „Ich hatte ein gutes Abi und Aussicht auf einen Studienplatz in München. Da ich also schon mal in der Stadt war, schaute ich mich bei den Theatern
um. Und wie es der Zufall will bekam ich eine Gelegenheit, als Statist
anzufangen. Und zwar nicht irgendwo, sondern am Residenztheater, wo viele große Regisseure arbeiteten!“
Mit Ingmar Bergman
auf der Bühne
Nun erlebte er also in vollen Zügen das Theaterleben, die Faszination des Applauses, die Nähe zu den „Stars“ der 1970-er Jahre, die hier auftraten. „Ich war jeden Abend auf der Bühne!“ Er nahm Schauspielunterricht, konnte sich zum Regie-Assistenten hocharbeiten.
Noch heute ist er begeistert, wenn er sich an die Zusammenarbeit mit dem
weltbekannten schwedischen Film- und Theaterregisseur Ingmar Bergman erinnert.
Theaterluft aus Schwabing
Ausgestattet mit der Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit den Theater-Stars gründete er im Bohème- und Promi-Stadtteil Schwabing ein „Freies Theater“. Nach drei Jahren verließ er seine eigene Bühne, um sich in der „Provinz“ auszuprobieren. Im niederbayrischen Landshut freute sich das Publikum und ärgerte sich der CSU-Bürgermeister, der es unnötig fand, dass es neben „seinen“ städtischen Bühnen ein aufmüpfiges Zusatztheater gab. Michael Klemm gründete als nächstes eine „vagabundierende“ Theatergruppe, deren Gastspiele in vielen Ländern, sogar in den USA, gefragt waren. Nach acht Jahren folgte er dem Ruf eines
Freundes, der einen Regisseur und Autor für seine „Frank Sinatra Tournee“ suchte. Es folgten ein eigenes kleines Theater in Berlin und schließlich 2004 die „Comédie Soleil“ in der Feuerbachstraße in Potsdam. Ein Ausflug nach Werder zusammen mit Freundin und
Schauspieler-Kollegin Nadja Winter ließ den Traum vom Umzug in die bisher theaterfreie Baumblütenstadt erwachen.
„Per Zufall erzählte mir ein Freund von diesem Haus. Ich kam, sah und war begeistert“, erinnert sich Michael Klemm.
Theater statt Experimente
Sein Herz schlägt ganz besonders für Molière, „der das bürgerliche Theater der Aufklärung begründete“ und für Shakespeare. Klemm hält wenig von den gerade in Berlin beliebten Experimenten sondern setzt auf
werkgetreue Inszenierungen. „Natürlich kann man Shakespeare in die heutige Zeit verlegen, aber warum sollte man
das tun? Niemand würde auf die Idee kommen, moderne Stücke in die Vergangenheit zurückzuversetzen“, hält Klemm vor Augen. Dem bei den Kollegen beliebten „Regie-Theater“, wo die Truppe sich oft widerwillig dazu zwingen lassen muss, Vorstellungen des
Regisseurs nachzukommen, erteilt er ebenfalls eine Absage: „Ich halte mich soweit es geht zurück. Die Stücke müssen nicht uminterpretiert werden, sie sprechen für sich selbst.“
Start mit Uraufführung
Wenn der behördliche Startschuss fällt, dann gibt sichMichael Klemm noch sechs Wochen, bis die zehn Personen starke
Truppe zur Premiere einlädt. „Wir werden mit der Shakespeare-Komödie ‚Was ihr wollt‘ eröffnen.“
Höhepunkt des Jahres wird die deutsche Uraufführung des modernen Zwei-Personen-Stück „Whale Songs“ sein, mit dem der junge New Yorker Autor Christoph Silberstein weltweit seinen
Durchbruch erzielte. „Leonce und Lena“ von Georg Büchner steht ebenfalls auf dem Plan.
Kleiner Prinz für die Bühne
Für Kinder und Jugendliche wird eine von Michael Klemm ausgearbeitete Bühnenfassung des Beststellers „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry ab November 2009 zu sehen sein. „Wir sehen uns als Repertoire-Theater und werden deshalb immer mehrere Stücke nebeneinander anbieten. Die Zusammenarbeit mit Schulen ist mir besonders
wichtig. Ich habe Erfahrung mit Jugendtheater gesammelt und weiß daher, wie faszinierend es für junge Leute sein kann, sich zu erproben, zu lernen, sich auszudrücken und Selbstbewusstsein zu gewinnen.“
Noch ein Theater?
Da passt es gut, dass in den Schulen von Werder traditionell Theater groß geschrieben wird. Hatte die Stadt lange Zeit gar kein Theater und trauerte
deshalb der früheren Freilichtbühne nach, so könnten es nun gleich zwei Spielstätten werden. Das bisherige Wandertheater „Ton und Kirschen“ aus Glindow will nämlich auf die Insel ins „Lendelhaus“ umziehen.
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