Stand Juli 2009
Querdenker mit Kunst-Geschoss
Die überschießende Ironie sorgte für Berichte auf Titelseiten von Zeitungen und brachte sogar die Politprominenz Deutschlands in Fahrt. So waren die „Kunst-Geschosse“ bestens aufgehoben in Werders neuem Kunst-Geschoss.
Der doppeldeutige Name für die neue Stadtgalerie im Obergeschoss des früheren Schützenhauses auf der Insel ist natürlich ebenfalls eine Schöpfung des „Querdenkers aus Querfurt“ wie sich der Künstler Frank Weber mit einem Schmunzeln auf den Lippen selbst bezeichnet. Seit 30 Jahren lebt der 50-Jährige in der Baumblütenstadt und sorgt für Wirbel.
 Skandal in der Kita
Offenbar wurde dem passionierten Zigarrenraucher und Rotweintrinker der ungewöhnliche Lebenslauf bereits in die Wiege gelegt: „Ich bin auf der Burg Querfurt im Weinkeller geboren!“ In der Nachkriegsnot war der Kreißsaal in die dicken Mauern der Festung verlegt worden.
Schon als kleiner Bub sorgte der kreative Weber für Wirbel: Im Kita-Alter entzündete sein Bild über den „1. Mai“ einen handfesten Skandal: „Ich hatte alles gemalt, was dazu gehört: Pferde, Wagen, Musikkapellen, demonstrierende Arbeiter mit Fahnen. Das Bild wurde prämiert und öffentlich ausgezeichnet. Es kam in eine Ausstellung und dort kam es zum Eklat. Ich musste erleben, wie es von der Wand gerissen wurde. Der Grund: Das Malen von Hammer, Zirkel und Ährenkranz auf der Fahne erschien mir als Sechsjähriger zu kompliziert. Nun wies die Fahne statt auf die DDR auf die BRD hin. Da habe ich zum ersten Mal bemerkt, welche Wirkung Kunst haben kann und dass die Kunst im Auslassen besteht.“
 Landvermesser statt Maler
Trotz des offensichtlichen Talents und dem Willen Kunst zu studieren bestanden die Eltern auf einen „vernünftigen“ Brotberuf: „Ich wurde Landvermesser und widmete mich in der Freizeit mit einem Atelier auf einem Hinterhofin der Eisenbahnstraße von Werder der Kunst.“
Um das Hobby doch noch zum Beruf machen zu können, machte Frank Weber auf der „Spezialschule für Malerei und Grafik“ eine Ausbildung, die mit dem Abschluss als Zirkelleiter endete. „Damit hätte ich in der DDR weitgehend frei arbeiten können. Mit der Veränderung in der DDR 1989 konnte ich ohnehin ausschließlich für die Kunst leben. Ob das anfangs finanziell geht, darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Für mich hat der Beruf eines Künstlers im wahrsten Sinne des Wortes etwas mit Berufung zu tun“, meint der Vater von zwei Kindern.
Auf den Spuren von Dix und Grosz
In seiner Kunst sieht sich „Aratora“, wie er sich in Anklang ans lateinische Wort seiner Heimatstadt Artern in Thüringen nennt, als Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“. Diese Bewegung der 1920-er Jahre verbindet sich mit Künstlern wie George Grosz und Otto Dix. Frank Weber sieht Kunst als Mittel, sich auszudrücken, „obwohl ich das ebensogut verbal kann“. Er kann Landschaftsgemälden nicht sehr viel abgewinnen, setzt dagegen auf „Menschenlandschaften“. Seine Bilder bestechen durch offenkundigen und versteckten Witz, sorgen dafür, dass einem oft das Lachen im Halse stecken bleibt. Sie faszinieren, weil sich selbst nach häufigem Betrachten immer etwas Neues entdecken lässt.  
 Aktie für Schröder
Als Konzeptionist mischt sich der Werderaner streitbar ins öffentliche Geschehen. So schuf und verkaufte er  die  ersten „Ich-AG“-Aktien in Deutschland, als dieses Thema erst in der Diskussion war. Er versandte seine Aktien an Zeitungen und Politiker, er „berief“ die verantwortlichen Politiker in seinen „Aufsichtsrat“. Die Folge war, dass durch ihn Werder auf den Titelseiten vieler Zeitungen war. Die ungefragt ins Kunstwerk mit einbundenen Politiker wie der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, sein Finanzminister Hans Eichel und Peter Hartz reagierten mit peinlich-hilflosen Briefen.
 Werder als neue Kunst-Metropole?
Schon lange wurmte Aratora das Zerrbild von Werder als „Stadt der Kunstmuffel“. Das ist zu einem gewissen Teil Theodor Fontane zu verdanken, „der die Menschen von Werder nicht sehr positiv darstellte“. Als Werder-Patriot hatte sich Frank Weber schon länger Gedanken darüber gemacht, wie dieser Zustand zu ändern wäre. „In meiner Schublade schlummerten einige konkrete Konzepte  unter anderem für eine städtische Galerie.“
Die Stadt hatte das historische Schützenhaus auf der Insel in Nachbarschaft des Sportplatzes erworben. Nach der Sanierung entstand im Erdgeschoss der Bürgerservice für die alltäglichen Kontakte mit der Verwaltung. Das Obergeschoss sollte der Kunst gewidmet werden.
 Spannende Bestandsaufnahme
Webers fertiges Konzept überzeugte auf Anhieb. Am Anfang seiner Tätigkeit als Kurator stand die „1. Bestandsaufnahme“. In dieser Ausstellung konnten sich professionelle Künstler sowie anspruchsvolle Laien aus Werder präsentieren. „Es gab so viele Meldungen, dass diese Ausstellung zweigeteilt werden musste.“ Nun soll in regelmäßiger Abfolge eine Bestandsaufnahme Einblick ins hiesige Kunstschaffen geben.
Weitere Höhepunkte der im August 2008 eröffneten städtischen Galerie waren eine Ausstellung zum 50. Geburtstag Webers und eine Ausstellung mit Werken von Arno Schmetjen, der Förderpreisträger des Landes Brandenburg und von Schloss Hardenberg ist.
Mit „Korrespondenzen im Raum“ stellte Weber im Frühjahr 2009 die Arbeiten der mittlerweile 88-jährigen Konstruktivistin Ilse Melzer, die seit 2001 in Werder lebt, den Arbeiten der 50-jährigen Künstlerin Barbara Illmer aus Potsdam gegenüber. „Die beiden hatten nie miteinander zu tun. Dennoch harmonierten ihre Werke auf ganz verblüffende Weise“, erinnert sich Weber.
Wie sehen Künstler das moderne Werder) Im Juni 2009 sorgt ein „Internationales Pleinair“ mit Künstlern aus Werder und den Partnerstädten für Bereicherung des Kunstlebens. Die Ausstellung mit diesen Werken ist bis 26. Juli im Kunst-Geschoss zu sehen.
Weiter geplant sind die Ausstellung „Übergänge“ mit Werken von Grit Rademacher und im Herbst „Blick zurück nach vorn“. Dabei steht Bildende Kunst um die Wendezeit im Mittelpunkt. Dazu kommt ein Rahmenprogramm mit Filmen, Lesungen und Diskussionen. Das Jahr 2010 ist bereits ausgeplant und wird den Galeriebesuchern international bemerkenswerte Ausstellungen präsentieren.
Frank Weber weiß, dass ihn der neue Posten des Kurators noch mehr als seine oftmals provokante Kunst zur Zielscheibe von Anfeindungen machen kann. Denn „ein hohes und spannendes Niveau beinhaltet naturgemäß, dass Bilder und Künstler zurückgewiesen werden, was erfahrungsgemäß zu Enttäuschungen und Spannungen führt“. Doch der Querdenker hat genügend innere Ruhe, um sich notfalls für die Kunst Konflikten zu stellen.
Infos:
www.kunst-geschoss.de
www.frank-w-weber.de
Tel. 0 33 27/4 50 86
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