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Mühlen mahlen langsam, sagt das Sprichwort. Die in Werder mahlt bisher nicht mal langsam, sondern gar nicht. Das könnte sich endlich ändern. Denn der längjährige Müller von Sanssouci will mit seiner Müllerin Leben ins Stadtwahrzeichen der Baumblütenstadt bringen.
Noch ist Paul Hensch in der Britzer Mühle aktiv. Hier wird wie in alten Zeiten fleißig Korn gemahlen. Ich stamme aus einer traditionsreichen Müllerfamilie und kann auf sechs Generationen zurückblicken, die alle in diesem Beruf tätig waren, berichtet der 70-Jährige, dem niemand sein Alter ansehen würde. Seine Eltern fürchteten, dass das altehrwürdige Handwerk keinen goldenen Boden mehr haben würde und ahnten zurecht, dass moderne Techniken die Windmühlen verdrängen würden. Deshalb durfte ich nicht den Beruf meiner Vorfahren lernen, sondern wurde Maler. 36 Jahre lang habe ich in diesem Beruf
geschuftet, ärgert sich Müller Hensch noch heute. Offenbar war er in diesen Jahren etwas unausgelastet: Vier Ehen, acht Kinder, viermal geschieden! Schließlich hängte er den Malerberuf an den Nagel und ließ sich richtig zum Müller ausbilden. Teilweise habe ich drei Windmühlen parallel betreut, erinnert er sich zurück. Über sechs Jahre lang war er der Müller von Sanssouci.
In der jungen Ina fand der leidenschaftliche Müller seine fünfte Ehefrau und eine Gleichgesinnte. Die Britzerin hatte sich von Kindesbeinen an in die Holländermühle am Buckower Damm verliebt und ließ sich durch nichts und niemand davon abbringen, wirklich Müllerin zu lernen. Heute ist sie die einzige weibliche Müllermeisterin der gesamten Region. Und mit ihren 31 Jahren in jedem Fall die jüngste. Die kleine Paulina ist sichtbar in der Mühle aufgewachsen und bewegt sich mit ihren 15 Monaten erstaunlich sicher im dunklen Leib der Kornfabrik. Selbst die engen und steilen Holztreppen bewältigt sie im Nu. Wenn der Name, zusammengesetzt aus den Vornamen den Eltern, Paul und Ina, eine Prophezeihung ist, dann ist mit ihr die nächste Generation der Müllerfamilie Hensch bereits am Heranwachsen.
Spontan haben sich Paul und Ina Hensch in die Werderaner Bockwindmühle verliebt und wollen sie wie in alten Zeiten betreiben. Ein Müller ist immer im Dienst, rund um die Uhr und sieben Tage die Woche, wissen die beiden. Schließlich muss Tag und Nacht auf Wind und Wetter reagiert werden. Deshalb wollen die beiden Enthusiasten, wenn sie den Pachtvertrag mit der Stadt in der Tasche haben, sofort in die Baumblütenstadt umziehen. Wir haben uns zwar ein Haus in Jüterbog gekauft, doch die Mühle hat in jedem Fall Vorrang!
Für die Familie geht mit der eigenen Mühle ein Lebenstraum in Erfüllung. Die Stadt Werder andererseits würde an Attraktivität gewinnen. Eine funktionierende Mühle würde sicher viele Besucher anziehen. Denn die Henschs verstehen sich keineswegs als Hobby-Müller, von denen es ja viele gibt, sondern wollen in der Bockwindmühle richtig arbeiten, wie in früheren Zeiten. Vorher sind aber Reparaturen nötig. Hensch schätzt die Kosten auf an die 100000 Euro. Dass dies mit dem Erlös aus dem puren Mehlverkauf lange nicht erreichbar ist, weiß er natürlich. Ich kann mir aber beispielsweise vorstellen, dass örtliche Bäckereien aus unserem handwerklich hergestellten Mehl ein Werderaner Mühlenbrot herstellen, das zu einem weiteren Markenzeichen und Werbemedium der Stadt werden könnte. Andererseits kostet eine Mühle, wenn sie stillsteht, ebenfalls Geld: Wenn die Mühle nicht arbeitet, verrottet sie, weiß der Müller. Bisher betreute Walter Kassin von der Tourismus-Verwaltung das Prunkstück und kennt das Problem. Immer wieder musste teuer repariert werden, ohne dass sich die Mühle mehr als probeweise drehte. Damit stehen die Chancen gut, dass die Familie Hensch wirklich Stadtmüller von Werder werden. Bürgermeister Werner Große ist jedenfalls optimistisch. Für die Bewerbung zur Landesgartenschau hätte die Baumblütenstadt dann einen weiteren Trumpf in der Hand.
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