Stand März 2010
| |||||||||
Schwarzbau für Lenin
| |||||||||
Schade, dass der Führer der Oktoberrevolution so früh gestorben ist. So hat er leider nicht mehr miterlebt, welch ein
Geburtstags-Geschenk ihm die Wildauer bereiteten!
Die hatten sich nämlich vorgenommen, das runde Jubiläum von Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt unter seinem Kampfnamen „Lenin“, mit einem ganz besonderen „Präsent“ zu feiern: „Unsere Idee war, dass Wildau zu den Feierlichkeiten des hundertsten Geburtstags
von Lenin 1970 eine Sporthalle bekommen sollte“, schmunzeln Horst Leuchtenberger, Manfred Winkler und Frank Settegast, die
damals beim Wildauer VEB Heinrich Rau aktiv waren. Alle drei verbindet die
Liebe zum Sport und das damit verbundene Engagement für Wildaus Sport- und Schwimmhalle, die dieses Jahr 40 Jahre alt wird.
Wildau im DDR-Fernsehen
Das Projekt sorgte schon bald für Gesprächsstoff in der ganzen DDR. Dabei war es gar nicht mal das leicht ungewöhnliche „Präsent“ für den Revolutionsführer. Vielmehr wunderten sich die Reporter des Fernsehmagazins „Prisma“ über die selbst fürs improvisationsfreudige Land ungewöhnliche Herangehensweise. „Da hieß es doch tatsächlich, wir würden einen Schwarzbau erstellen“, erinnert sich Leuchtenberger zurück. „Und nur, weil sich die Baugenehmigung etwas verspätete!“
Sportchef als Werkleiter
Heute würde man der nunmehr 40 Jahre alten Sport- und Schwimmhalle Wildau nicht mehr
ansehen, dass sie damals im Vorgriff aufs erwartete Einverständnis der Behörden aus dem Boden gestampft wurde. „Wir hatten im ‚VEB Schwermaschinenbau Heinrich Rau‘ an die 500 Lehrlinge. Viele wollten gerne in der Freizeit Sport machen, doch
Hallen waren Mangelware“, erinnert sich Handball Pionier Horst Leuchtenberger zurück. Er war hauptberuflich Konstrukteur in Wildaus Vorzeigefabrik und in der
Freizeit begeisterter Handballer. Praktischerweise gelangte damals mit Heinz
Zeidler ein weiterer Fan des Handball-Sports in eine Spitzenfunktion. Der
Trainer des 1950 gegründeten Wildauer Handballvereins und damalige Vorsitzende der
Betriebssportgemeinschaft Motor Wildau wurde Werkleiter des VEB Heinrich Rau.
Bauen – aber womit?
Der Wildauer Betrieb gehörte zum riesigen „Schwermaschinenbau-Kombinat Ernst Thälmann“, kurz SKET. „Als der Kombinatsleiter nach Wildau kam, wurde überlegt, was wir zur großen Geburtstagsfeier von Lenin beitragen könnten. Das war unsere Chance“, so Leuchtenberger weiter. Der Kombinatsleiter ließ sich von der Idee überzeugen und gab grünes Licht. „Das Problem war allerdings, dass uns jetzt die Zeit im Nacken saß. Das Projekt war nirgendwo im Plan. Es stand also kein Material zur Verfügung. Damals war Baumaterial sehr knapp. Wir standen also vor dem Problem, es
auf Umwegen zu organisieren.“
Da kann man schon mal so eine Kleinigkeit wie die Plangenehmigung vergessen!
Improvisieren in Rekordzeit
Die beiden Bauleiter Georg Fungk und Wolfgang Heyde, die hauptberuflich im „Aufbaustab neue Schmiede“ tätig waren, standen unter Druck: Denn Eröffnung „musste“ spätestens zum 1. Mai 1970 sein. Eine Bauzeit von gut einem Jahr mit einem harten
Winter dazwischen wäre selbst heute eine große Anforderung für so ein aufwändiges Projekt.
„Stahlträger konnten wir im Werk ja selbst produzieren, doch mit anderem Material war es
schon schwieriger“, erinnert sich Leuchtenberger. „Oftmals ging es um Minuten. So erfuhren wir, dass in Potsdam auf einer Baustelle
Fliesen übrig waren. Wir sausten sofort mit unserem Betriebs-LKW los. Zum Glück waren wir die ersten, anschließend erfuhren wir von den vielen anderen, die ebenfalls darauf scharf gewesen
waren.“
Wärme vom Werk
Als Standort wurde das ehemalige Fremdarbeiter-Lager der Nazis auserwählt. „Die Treppe war damals gebaut worden, damit die Häftlinge von ihren Baracken schnell zu ihrem Arbeitsplatz auf dem Werksgelände kamen“, wissen Winkler und Settegast. „Nun war für uns der Standort ideal, weil die Baracken nicht mehr gebraucht wurden und die
Anlage nah genug am Werk war, um die Sport- und Schwimmhalle von dort aus mit Wärme und Energie zu versorgen.“
Zum Glück für Wildau hatte VEB-Chef Heinz Zeidler nämlich die Weitsicht, eine kombinierte Anlage inklusive Schwimmhalle anzustreben.
Erfolgreiche Modernisierung
Trotz des improvisierten Baus bewies die rechtzeitig fertiggestellte Halle
Standvermögen.
Sie ermöglichte, dass Wildau sich zu einer Oase des Sports entwickeln konnte mit
Mannschaften, die heute immer noch in hohen Ligen spielen. Nach der Wende
wechselte das Gebäude ins Eigentum der Gemeinde. 2004 entschied sich die Kommune mit dem
sportbegeisterten Bürgermeister Dr. Uwe Malich, die Schwimmhalle zu modernisieren und zu erweitern.
2007 wurde wiedereröffnet, 2009 gab es bereits einen Besucher-Rekord: „Wir mussten deshalb weniger an Zuschüssen ausgeben, als wir geplant hatten“, freut sich Dr. Malich.
Der runde Hallengeburtstag wird am 24. April 2010 mit einem Fest gefeiert.
Mit gefeiert werden dann die Jubiläen von Motor Wildau und der Handballer, die beide den 60. Geburtstag feiern können sowie der Volleyballer, die auf 40 Jahre Erfolgsgeschichte zurückblicken.
| |||||||||
| |||||||||
| |||||||||
| |||||||||