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Wildau ohne Schwartzkopff? Undenkbar! Schließlich war es die Lokomotivenfabrik, aus der sich der heute prosperierende Ort entwickelte!
Louis Schwartzkopff war aber nie in Wildau! Emil Kaselowsky, der Schwartzkopffs älteste Tochter Marianne geheiratet hatte, war es, der das Unternehmen nach Wildau brachte. Er führte den Betrieb seit 1888, der Firmengründer starb 1892. Der Beschluss, die Fabrikation von der Chausseestraße in Berlin-Mitte auf die Grüne Wiese nach Wildau zu verlegen, fiel aber erst 1897 auf Betreiben von Kaselowsky, berichtet Bernhard Welsch. Der Gründer und Vorsitzende des Ingenieurvereins hatte die Idee, die Wildauer Technik-Geschichte der Nachwelt zu erhalten. Nach über fünf Jahren erschien nun das Buch Pulver, Dampf- und Schwermaschinen. Neben Welsch sind Hans-Joachim Caesar, Harry Pech und Horst Zissel die weiteren Autoren. Das Buch bietet auf 366 Seiten spannende Informationen. Dazu tragen die vielen bisher unveröffentlichen Dokumente und Fotos, die oft aus privatem Besitz stammen, eine ganze Menge bei. Manche Themen sind aber aus Platzgründen nur angerissen. Wir wollten uns bewusst auf die Technik konzentrieren, erläutert Bernhard Welsch. Er war lange im Schwermaschinenbau tätig und fungierte dort nach der Wende als Vorstand für Technik.
So bewiesen die Autoren zwar eine gute Spürnase, als sie sich an die Fährte des ersten Finanzvorstands Eduard Eich hefteten. Nach ihm ist immerhin eine Straße in Wildau benannt. Doch worin seine eigentlichen Verdienste um das Werk und den Ort lagen, ist im Buch noch ungeklärt. Denn erst nach Erscheinen konnte das Geheimnis gelüftet werden: Der Enkel von Eich war auf unser Buch aufmerksam geworden. Er rief mich an und schilderte erstmals, wie sein Großvater die Firma gerettet hatte: Der hatte während der Inflationszeit heimlich große Teile des Firmenvermögens in die Schweiz transferiert und in sichere Währungen umgewandelt. Danach konnte die BMAG über ein sicheres finanzielles Polster verfügen, was das Weitermachen sehr erleichterte!
Weniger gut ging es dem Gemeinschaftsunternehmen Maffei-Schwartzkopff-Werke GmbH, das im heutigen TGZ-Gebäude und in den Hallen dahinter längs der Bahn ab 1907 aktiv war. Die Firma war federführend auf dem Gebiet der Pumpentechnik, wie sie für Lokomotiven und den Bergbau gleichermaßen wichtig war und ergänzte sich dadurch mit der BMAG. Doch dort gab es wohl keinen cleveren Eduard Eich und so musste das Unternehmen wegen Fehleinschätzungen und Finanzspekulationen, so Welsch, den Betrieb einstellen. Auf diese Weise kam Wildau dazu, Flugzeugteile für Hitlers Kriegsmaschinerie herzustellen. Die AEG übernahm das leerstehende Areal und produziert in den Hallen Teile für die Do 17 und Do 217 sowie die He 111. Für den Sturzkampfbomber Ju 87, den legendäre Stuka, wurde sogar das Leitwerk hergestellt.
Die Endmontage erfolgte dann im Henschel-Werk in Schönefeld, hat Welsch weiter herausgefunden. Erstaunlich ist, dass den Alliierten diese Flugzeugfabrik in Wildau offenbar nicht bekannt war: Es gab kaum Beschüsse, die wenigen Brandbomben konnten die Produktion nicht behindern, so Welsch.
Am 25. April 1945 zog die Rote Armee in Wildau ein, am 12. Juni kam der Befehl, die Werkseinrichtungen zu demontieren. Die Beschäftigten mussten in 70-Stunden-Wochen ihre Arbeitsplätze vernichten. Was sie wohl nicht sehr engagiert machten im Gegenteil!
Wir machten nach einem Tipp im Wildau-Buch einen der Zeitzeugen ausfindig. Heinz Nitsche, heute 86, lebt als Rentner in Neubrück am Rande des Klein Köriser Sees. Ich war Brigadier einer Truppe von Kriegsgefangenen, die im russischen Brjansk dafür zuständig war, die Anlagen wieder zum Laufen zu bringen. Allerdings wussten wir damals nicht, dass es sich um das Wildauer Werk handelte, berichtet der Pankower. Die Anlagen standen in Kisten herum, die Russen sorgten für die Montage. Doch die Feinarbeiten überließen sie uns, weil sie sich damit nicht so gut auskannten! Die Schaltkästen waren so manipuliert worden, dass die Maschinen gar nicht laufen konnten!
Nitsche hatte sich sein technisches Wissen in der Werkstatt des Vaters erworben, wo Rundfunkgeräte, Motorräder oder Fahrräder repariert wurden. Ohne weitere Ausbildung gelang es ihm und seiner Truppe, die Fabrik wirklich zum Laufen zu bringen: 1947 fuhr unsere erste Lokomotive vom Band. 1948 wurde er nach Deutschland entlassen, doch erst 1955, als er technischer Leiter bei den Asepta-Werken war, erfuhr er zufällig am Rande einer Tagung, dass er Wildaus Lokomotivfabrik in Russland neu aufgebaut hatte!
Das steht so nicht im Buch des Ingenieursvereins. Ebenso fehlen die brisanten Inhalte aus zwei dicken Ordnern, die Welsch unter Verschluss hält: Darin befinden sich Dokumente, aus denen hervorgeht, wie sich mancher im Zuge der Wende an den Industrieanlagen bereicherte!
Was Welsch mit diesem Material machen will, überlegt er noch. Doch selbst ohne diese Aspekte ist das Buch über Wildaus Technikgeschichte ein Renner: Von den 1800 gedruckten Exemplaren waren nach nur einem halben Jahr mehr als die Hälfte verkauft.
Erhältlich ist das Werk in gut-sortierten Buchhandlungen der Region oder direkt bei Bernhard Welsch, Tel. 03375/293132.
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