Stand April 2011
Zu alt, zu jung – verheiratet!
Zeuthens Musikbetonte Gesamtschule „Paul Dessau“ kann mehr als stolz sein: In ihren Mauern unterrichtet als angehende Lehrerin eine der ungewöhnlichsten Musikerinnen, die man sich vorstellen kann. Die Musiklehrerin ist anerkannte Beatles- Koryphäe, erprobte Klassik-Interpretin, erfolgreiche Kirchenmusikerin und harte Rockerin.
Damit ist die 27-Jährige wohl ein Glücksfang für eine musikbetonte Schule mit Jugendlichen, die ganz unterschiedliche musikalischen Interessen haben! Wie reagiert die Schule auf dieses Talent?
„Die wenigsten wissen davon“, schmunzelt Susanne Finsch. Ob es daran liegt, dass das „Wunderkind“ nun berufliche Zukunftsängste quälen? „Ich liebe Zeuthen, doch ob ich bleiben kann, steht in den Sternen“, vertraut sie ihre
Sorgen an. Denn sie ist „nur“ Referendarin und muss deshalb trotz der idealen Qualifikationen darum bangen, nach Abschluss ihrer „Lehre als Lehrerin“ auf eine freie Stelle in Zeuthen zu treffen.
Mit acht Jahren Bühnen-Erfahrung
Mit Susanne Finsch befindet sich derzeit eine äußerst ungewöhnliche Künstlerin in Zeuthen. Sie entstammt einer
Musikerfamilie, die sich allerdings auf Klassik spezialisierte. Schon als Kind im zarten Alter von acht Jahren legte sie eigene Kompositionen vor, hatte Klavier- und Gesangsunterricht und trat öffentlich bei Konzerten auf. Mit zwölf Jahren hatte sie eigene Solopartien, unter anderem beim Kammerorchester Strausberg. Trotz junger Jahre sang und moderierte sie beim jährlichen Serenadenkonzert in der Stadt. Sie bekam gleich viermal den Förderpreis beim „Musikfestival Märkisch-Oderland“ und nahm zweimal erfolgreich am bundesweiten Wettbewerb „Jugend musiziert“ teil.
Radio veränderte das Leben
Doch dann, ganz per Zufall, hörte sie im Radio „Yesterday“ und „Help“ von den Beatles. „Das hat mich so fasziniert, dass ich mehr über diese Band wissen wollte. Mich begeisterte die Verbindung von komplexen Harmonien mit echten Gefühlen. Das trifft für die Musik der Beatles aus allen ihren Epochen zu, während bei Bands wie ‚Yes‘ alles nur synthetisch und gekünstelt wirkt“, hat die mittlerweile weithin anerkannte Spezialistin für die englische Kult-Band herausgefunden.  
„Für mich haben die Beatles für die moderne Musik eine Bedeutung, die der von Wolfgang Amadeus Mozart für die Klassik gleichzusetzen ist. Sie waren ihrer Zeit immer voraus, waren stets Vorreiter, die neue Musikstile in der aufkommenden Popmusik kreierten“, analysierte sie.
55 Millionen Beatles-Seiten
Mittlerweile hat sie im Zuge ihrer Diplom-Arbeit ein Buch geschrieben, in dem die Bedeutung der Beatles für die Popgeschichte der letzten 40 Jahre untersucht wird: „Das besondere an dieser Gruppe ist, dass sie altersübergreifend jeden anspricht. Meine Untersuchung zeigt, dass Senioren ebenso mit den Beatles etwas anfangen können wie die Kids. Nur der Coolness-Faktor wird unterschiedlich bewertet.“
Dafür sind die Beatles weltweit im Internet Spitzenreiter: Susanne Finsch, die von sich sagt, die deutschlandweit größte Sammlung von Zeitungsausschnitten über die Liverpooler Band zu haben, hat 55 Millionen Seiten im weltweiten Netz ausfindig gemacht, die sich mit John Lennon, Paul McCarthney, George Harrison und Ringo Star beschäftigen. „Nur Elvis ist in etwa so gefragt, auf stabilem dritten Platz ist übrigens Michael Jackson.“
Echte Gefühle
Susanne Finsch sieht in den Beatles Brückenbauer zwischen den Generationen und zwischen den Epochen: „Viele Beatles-Fans sind wie ich ausgesprochene Liebhaber der Musik von Johann Sebastian Bach. Das mag daran liegen, dass dessen Musik trotz Barock ebenso ehrlich ist und deshalb echte Gefühle hervorruft wie die der Beatles.“ Ganz
logisch für Susanne Finsch also, dass sie während der Studienzeit im Barockorchester der Universität Kiel mitmachte, dass sie 2005 als Bach-Solistin erfolgreich auftrat, dass sie Kirchenlieder ebenso komponiert wie moderne Songs und einen Erwachsenenchor leitet.  
Seelen-Striptease
Die vielseitige Musik- und Deutschlehrerin kann aber noch viel mehr als Opernarien, Bach-Kantaten und Beatles-Songs. So stellte sie 2006 ihre erste CD mit eigenen Songs vor, die sie „Within Sunny“ nannte. „Die Lieder darauf sind sehr persönlich, manche Zuhörer sprechen von Seelen-Striptease.“ Tatsächlich ist ihr Authenzität enorm wichtig: „Ich hätte einen professionellen Plattenvertrag bekommen können und sollte zu einer neuen Stefanie Hertel aufgebaut werden. So ein Angebot bekommt man nur einmal, doch für mich ist wichtiger, dass ich ich selbst bleiben kann. Ich kann hier einfach nicht über meinen Schatten springen“, blickt sie zurück.
Nachts in Berliner Clubs
Seit 2010 tingelt sie stattdessen nachts durch angesagte Berliner Clubs, als Front-Sängerin der Rockgruppe „ExTempore“. Diese Formation tritt mit eigenen englischsprachigen Songs auf, viele davon aus der Feder der Zeuthener Lehrerin oder von ihr mit beeinflusst. „Da kommt mir mein Aufenthalt als AuPair in Irland zugute“, schmunzelt sie.
So ungewöhnlich wie Susanne Finsch ist, kann man sich vorstellen, dass es sich hier um keine „normale“ Band handelt. Sie selbst ordnet sie unter „Indie-Rock“ ein, hat aber, ungewöhnlich für harte Rocker, eine Geigerin mit auf der Bühne.
Die Band setzt sich aus Berliner Baptisten zusammen, was „Sunny“ nicht stört, da ihr Religion ebenfalls wichtig ist.
So tritt „ExTempore“ regelmäßig in Kirchen auf, doch stop, nicht mit christlichen Songs, sondern mit einfallsreicher Rockmusik, „denn eine christliche Rockband, das sind wir nicht!“
Zu jung, zu alt – verheiratet!
Wohin die Karriere Wunderkind Sunny führt, lässt sich heute kaum absehen.
Irgendwie hat sie immer das Pech, zum falschen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. „Die Beatles-Ära habe ich leider verpasst. In der Schule ist gerade keine Stelle frei. Mit 18 Jahren hatte ich die Idee, klassischen Gesang zu studieren. Da wurde ich abgelehnt, weil ich als leichter lyrischer Sopran zu jung für entsprechende Rollen auf der Bühne gewesen wäre. Mit 25 war es wieder nichts, nun hieß es, ich sei dafür zu alt!“
Zu jung, zu alt, zumindest im Privatleben will sie nun nicht das Risiko eingehen, erneut „zwischen die Stühle“ zu geraten. Deshalb soll im Sommer 2011 ganz offiziell geheiratet werden. Der Glückliche ist der Informatiker Sascha Mendack. Allerdings, die Musikerin mit den vielen Talenten sucht bei ihrem langjährigen Freund ebenfalls den Gegensatz: „Er ist völlig anders als ich, genau das beflügelt mich und macht die Beziehung spannend.“ So wie eben das bisherige Künstlerleben, das vielleicht doch noch in eine große Karriere führt, auf der Opernbühne, im klassischen Konzert, vor Rockmusik-Fans, als Chanson-Sängerin – oder einfach vor Jugendlichen, die sich von ihr beflügeln und motivieren lassen möchten?
Infos:
Tel. 03 37 62/22 43 39
http://sunny.mendack.de
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Auftritt in Kîpenick 2010.tif
Vor der John Lennon Statue, Liverpool 2007.tif
Somewhere mit Udo Reitspie·, Serenade 08.tif
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Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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