Stand März 2012
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Zeuthen groß im Kino
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Vor Casting-Shows kann man sich kaum mehr retten. Allerdings ist es bisher noch
nicht vorgekommen, dass sich Schulen fürs Kino bewerben!
Diesen Wettbewerb gab es tatsächlich und zwar bereits 2010. „Damals wandte sich die Boje Buck Produktionsgesellschaft an uns mit der Frage,
ob wir als Schule in einem Kinofilm mitwirken möchten“, erinnert sich Dr. Thomas Drescher als Leiter von Zeuthens Paul Dessau Gesamtschule. Diese Filmfirma steht für viele deutsche Kinohits.
Kino-Hits
Sie zeichneten beispielsweise für „Männerpension“, „Wir können auch anders“, „Sonnenallee“, „Herr Lehmann“ oder „NVA“ verantwortlich. „Nun sollte ein Film über einen Problem-Jugendlichen entstehen, der die allerletzte Chance erhält, doch noch zu einem Abschluss zu kommen. Das Besondere war, dass die Schule
nicht nur als bloße Kulisse dienen sollte. Vielmehr hatten die Filmemacher die Idee, ihren Star
bei uns ganz normal sechs Wochen lang in eine Klasse gehen zu lassen. Damit
sollte das normale Schulleben ebenso gefilmt werden wie das, was die
Jugendlichen in der Freizeit machen“, beschreibt der Schulleiter das ungewöhnliche Projekt. „Wir wurden deshalb angefragt, weil die Produzenten eine ganz normale Schule
suchten, also keine Brennpunktschule wie in Neukölln wollten.“
Schüler als Kino-Stars?
Dr. Thomas Drescher erkannte sofort, was in dem Angebot für Chancen stecken. „Unsere Schule und damit Zeuthen würden weit um bekannt werden. Durch unsere musikbetonte Ausrichtung sind bei uns
viele Jugendliche, die Spaß an öffentlichen Auftritten haben. Da wäre ein Kinofilm eine Chance, wie sie sonst kaum geboten wird.“
Allerdings stand dem entgegen, dass ein Drehteam, das über Wochen in den Klassenräumen aktiv ist, einen erheblichen Eingriff ins geregelte Schulleben darstellt.
Außerdem musste sichergestellt werden, dass keine Datenschutz-Probleme entstehen.
„Es stand für mich fest, dass wir nur zusagen können, wenn alle einverstanden sind“, war die Entscheidung von Dr. Thomas Drescher.
Also wurden das Schulamt und die Gemeinde Zeuthen als Schulträger gefragt. Danach gab es Versammlungen, in denen die Eltern, Schüler und Lehrer zu Wort kamen.
Zeuthen gewinnt Schul-Casting
Neben der Paul Dessau Schule hatte sich das Produktionsteam noch an eine Reihe
weiterer Schulen gewandt. Doch das Rennen machten die Zeuthener, sie gewannen
das ungewöhnliche Schul-Casting.
Aber welche der drei zehnten Klassen sollte nun die Ehre bekommen, Filmstar
Christian Ulmen auf Zeit zu „beherbergen“? Ulmen ist vielen bekannt, war er doch beliebter Moderator beim
RBB-Jugendsender „Radio Fritz“.
Super-Star auf die Schulbank
Das Kinopublikum liebt ihn als Hauptdarsteller in „Herr Lehmann“ von Leander Haußmann, wofür er mit dem Bayrischen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Für seine Auftritte in „Mein neuer Freund“ und in „Psycho“ beides Pro Sieben-Produktionen, erhielt er den begehrten Grimme-Preis und
ebenfalls den Bayrischen Filmpreis. Man kennt ihn aus Spielfilmen wie „Maria, ihm schmeckt's nicht“, „Männerherzen“, „Jerry Cotton“, „Hochzeitspolka“ und „Vater Morgana“. Er hat eine eigene Produktions-Firma, ist fürs Fernsehen ebenso wie fürs Internet tätig.
Er ist mittlerweile 37 Jahre alt und kann auf eine erstaunlich lange
Erfolgsgeschichte zurückblicken. Er startete als Jugendlicher in seiner Heimatstadt Hamburg als
Radiomoderator und wurde bereits als 15-Jähriger mit dem „Junior Reporter Preis“ von Peter Scholl-Latour ausgezeichnet.
Welche Klasse?
Es ist also keine Frage, dass diesen ungewöhnlichen Star, mit dem man sich bestens identifizieren kann, jeder in der Klasse
haben wollte. „Die Filmfirma stellte alle drei zehnten Klassen vor die Aufgabe, sich in einer
einstündigen Casting-Vorführung vorzustellen“, erinnert sich Dr. Thomas Drescher, wie es nun weiterging. „Den Zuschlag bekam die Musikklasse. Viele der Schüler hatten schon Auftrittserfahrung. Außerdem war in der Klasse die Schülerband beheimatet, an der Christian Ulmen mitwirken sollte.“
Die Schule wandelte sich in kürzester Zeit in ein Filmstudio. Klassenräume, Mensa, Flure, Fachräume und der Hof wurden mit Kameras ausgestattet. Es gab aber Möglichkeiten, wo man ohne Kamera sein konnte.
Scheue Lehrer
„Vor allem manche Lehrer wollten nicht im Film erscheinen“, beschreibt Dr. Drescher die Vorbereitung zu den Dreharbeiten. Dann waren alle
natürlich ganz aufgeregt, als der große Tag kam. „Von diesem Starttermin an erschien Christian Ulmen jeden Tag um 6 Uhr morgens.
Er musste schließlich so umgeschminkt werden, dass man ihm abnahm, ein 18-jähriger Schüler zu sein.“ Ulmen wartete mit den anderen Klassenkameraden an der Schultüre, war ganz normal in der Klasse, tobte mit auf dem Hof, traf sich nach der
Schule an den einschlägigen Plätzen in Zeuthen – und kämpfte verbissen mit Formeln und Zahlen, denn Mathe war seine große Schwäche. Es gab Flirts und Gespräche, ganz wie es unter Schülern in diesem Alter es normal ist.“
Roter Teppich im Berlinale-Kino
Schließlich gab es 300 Stunden Filmmaterial, aus denen 90 Minuten geschnitten werden
mussten. „Das ist sicher eine schwere Aufgabe“, fühlt Schulleiter Dr. Drescher mit, der in dem Film seine erste Kinorolle
absolvierte. „Das hat unheimlich viel Spaß gemacht“, ist er sich mit den Schülern einig.
Die Vor-Premiere fand eigens für die Zeuthener Jung-Stars im Kino in Königs Wusterhausen statt, die eigentliche Premiere dann im Berlinale-Kino in
Berlin. Dort wurde, ganz wie es sich gehört, für die jungen Zeuthener der rote Teppich ausgerollt. „Vorher waren sie in Limousinen abgeholt worden!“, so der sichtlich stolze Schulleiter. Nun darf man gespannt sein, wer sich in
der Schule alles vom Film-Glamour anstecken ließ und diese ungewöhnliche Erfahrung selbst zum Beruf machen möchte.
Aus Jonas wird Bruno
„Jonas“-Darsteller Christian Ulmen scheint der Aufenthalt in Zeuthen animiert zu haben,
sich weiter in der Welt „von früher“ zu bewegen. Im neuen Kinofilm „Einer wie Bruno“ von Anja Jacobs spielt er Bruno, der wegen einer angeborenen Intelligenzschwäche als Erwachsener auf dem Stand eines Zehnjährigen ist. Für seine Film-Tochter „Radost“ ist er mehr ein Spielkamerad als ein Erwachsener, bis sie in die Pubertät kommt. Was die Pubertät angeht, kann Ulmen sicher so manche Erfahrung aus Zeuthen mit in den Film
einbringen.
Infos:
Tel. 03 37 62/7 19 87 www.gesamtschule-zeuthen.de www.jonas-derfilm.de | |||||||||||||
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